Wildpflanzen und Saatgut aus gebietseigener Herkunft
Mit der Verwendung von Saatgut aus zertifizierter gebietseigener Herkunft können wir die genetische Vielfalt von Pflanzen erhalten und fördern. Je nachdem, wo eine Ansaatfläche liegt, ist die Verwendung gesetzlich vorgeschrieben. Darüber hinaus empfehlen wir die Anwendung des Regio-Prinzips aufgrund seiner Vorteile auch auf anderen Standorten - immer dann, wenn Sie mit Wildpflanzen arbeiten!
Erfahren Sie mehr über die Hintergründe, Vorzüge und konkrete Tipps für die Verwendung in Berlin.

Die Bezeichnung „gebietseigen“ bei Saat- und Pflanzgut bedeutet, dass es aus Beständen heimischer Wildpflanzen einer bestimmten Region stammt, die bereits seit Generationen in der freien Natur dieser Region leben. Es werden auch Begriffe wie „gebietsheimisch“, „autochthon“, „Regiosaatgut“ oder „zertifizierte regionale Herkunft“ verwendet.
Für den Anbau von Saatgut aus gebietseigener Herkunft werden die verschiedenen Arten zunächst einzeln auf geeigneten Flächen, z.B. in Schutzgebieten, gesammelt. Dann können sie auf Äckern über maximal fünf Generationen vermehrt werden.
Dadurch wird sichergestellt, dass die Arten genetisch besonders gut an die regionalen Umweltbedingungen angepasst sind. Manchmal sind diese regionaltypischen Unterschiede innerhalb einer Pflanzenart sogar äußerliche erkennbar, z.B. an unterschiedlich großen Blättern.
Besitzt eine Pflanzenart eine Vielzahl natürlicher Vorkommen mit Anpassungen an verschiedene Regionen, dann verfügt sie über eine große genetische innerartliche Vielfalt. Je größer diese Vielfalt, desto größer sind die Überlebenschancen der Art, da sie auf sich verändernde Umweltbedingungen besser reagieren kann.
Um die Handbarkeit des Konzepts der innerartlichen genetischen Vielfalt für die Produktion von Ansaaten nichtgefährdeter krautiger Pflanzenarten zu gewährleisten, wurde Deutschland in 22 Vorkommensgebietefür Saat- und Pflanzgut aufgeteilt. Damit die genetische Vielfalt innerhalb der Arten erhalten bleibt, soll gebietseigenes Saatgut bzw. Pflanzgut nur im jeweiligen Herkunftsgebiet ausgesät bzw. ausgepflanzt werden.
In der freien Landschaft ist die Anwendung dieses Prinzips seit 2020 gesetzlich vorgegeben (s. hierzu auch Frage 4.). Aber auch in Gärten ist es durchaus sinnvoll. Mehr zu den Vorteilen erfahren Sie in Frage 2.
Für seltene und gefährdete Arten gelten diese Vorkommensgebiete nicht: Aufgrund ihrer Sensibilität soll die Ausbringung von Zielarten des Florenschutzes und Pflanzenarten der Rote-Liste-Kategorien 0, 1, 2, G und R unbedingt mit den Naturschutzbehörden abgestimmt werden.
Für verholzende Pflanzen, also Sträucher und Bäume wurden eigene Vorkommensgebiete für Gehölze festgelegt.
Gebietseigene Pflanzen sind nachweislich am besten angepasst an das regionale Klima und die regionale Fauna: Sie blühen passend zu den phänologischen Jahreszeiten vor Ort und garantieren so beispielsweise, dass Insekten der Region die Blüten als Nahrung nutzen können. Sie reagieren oft weniger empfindlich auf Umweltänderungen oder Störungen als Pflanzen der gleichen Art, deren Saatgut aus weiter entfernten Regionen stammt, sogenannte nicht-gebietseigene Pflanzen.
Werden nicht-gebietseigene Pflanzen ausgebracht, kann das gleich zweierlei Probleme mit sich bringen: Einerseits können Vorteile wie das oben beschriebene Zusammenspiel von Blütezeit der Pflanze und Aktivitätszeit der regionalen Insektenwelt wegfallen, so dass die Pflanzen eine schlechtere Nahrungsquelle für Tiere darstellen. Das ist insbesondere für kurzlebige Insekten, die auf spezifische Pflanzenarten oder- gattungen angewiesen sind, wie zahlreiche Wildbienenarten, ein großer Nachteil. Andererseits können die im Gebiet bereits vorhandenen gebietsheimischen Pflanzen derselben Art (regionale Genotypen) ihre positiven Eigenschaften in den nächsten Generationen einbüßen, indem sie mit Pollen der aus anderen Vorkommensgebieten eingebrachten Pflanzen bestäubt werden. So kommt es zu einem unwiederbringlichen Verlust von genetischer Biodiversität.
Berlin liegt in zwei Vorkommensgebieten krautiger Pflanzen. Der weitaus größere, südwestliche Teil liegt im Vorkommensgebiet 4 Ostdeutsches Tiefland und der verbleibende Nordosten Berlins liegt im Vorkommensgebiet 22 Uckermark mit Odertal. Den Verlauf der beiden Regionen können Sie der nebenstehenden Grafik entnehmen.
Im Falle der gesetzlich vorgeschriebenen Verwendung von zertifiziertem gebietseigenem Saatgut darf nur bei nachweislicher Nichtverfügbarkeit aus dem eigentlichen Vorkommensgebiet auf benachbarte Vorkommensgebiete ausgewichen werden.
Für die nicht gesetzlich vorgeschriebene Verwendung von ungefährdeter und nicht-seltener Arten im Garten können in Berlin sowohl Vorkommensgebiet 4, als auch Vorkommensgebiet 22, verwendet werden.
Die Begriffe „Vorkommensgebiet“, „Herkunftsgebiet“ und „Ursprungsgebiet“ meinen übrigens alle dasselbe. Sie sind nicht zu verwechseln mit den sogenannten „Produktionsräumen“.
Mit dem Begriff „Produktionsräume“ hingegen werden die Gebiete für den Anbau von Regio-Saatgut ausgewiesen. Mehrere benachbarte und naturräumlich ähnliche Vorkommensgebiete werden zu einem Produktionsraum zusammengefasst. So gibt es in Deutschland acht Produktionsräume, innerhalb derer das Regio-Saatgut für 22 Vorkommensgebiete angebaut wird.
Die Vorschriften zur Verwendung von Regio-Saatgut sind in § 40 des Bundesnaturschutzgesetzes (BNatSchG) geregelt. Demnach ist die Ausbringung nicht gebietseigener Pflanzen in der freien Natur nicht zugelassen, es sei denn, sie wurde behördlich genehmigt.
„Freie Natur“ ist in diesem Kontext als Gegenstück zum besiedelten Bereich zu verstehen. Hierbei kann es sich beispielsweise um Wiesen, Wälder, aber auch um Gewässer, Wegsäume oder wenig genutzte Freiflächen auf Sportanlagen handeln. Auf diesen Flächen dürfen Ansaaten nur mit Regio-Saatgut aus gesicherter Herkunft durchgeführt werden.
Gestaltete Parkanlagen im Siedlungsbereich, sofern sie keinem naturschutzrechtlichen Flächenschutz (beispielsweise als Landschaftsschutzgebiet) unterliegen und (Klein-)Gärten gehören nach dieser Definition üblicherweise nicht zur freien Natur.
Der § 40 des BNatSchG regelt auch Ausnahmen. So bedarf es z. B. keiner behördlichen Genehmigung für den Anbau von Pflanzen in der Land- und Forstwirtschaft, auch wenn land- und forstwirtschaftliche Flächen grundsätzlich der „freien Natur“ zugeordnet werden.
Hier erfahren Sie mehr über die rechtlichen Grundlagen.
(Auszug aus der Broschüre Pflanzen für Berlin, herausgegeben von der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt)
Der Markt für Regio-Saat- und Pflanzgut ist eher jung und befindet sich noch im Aufbau. Dennoch gibt es mittlerweile mehrere Händler*innen, die gebietseigenes Saatgut und Pflanzmaterial für die in Berlin relevanten Vorkommensgebiete 4 und 22 anbieten.
Achten Sie in jedem Fall darauf, zertifizierte Ware zu kaufen. Sie erkennen diese an Siegeln wie „VWW-Regiosaaten®“ (Verband deutscher Wildsamen- und Wildpflanzenproduzenten e.V.) oder „RegioZert®“. Auf den Internetseiten der Zertifizierer bzw. Anbieterverbände sind Bezugsquellen aufgeführt.
Beim Einsatz im privaten Bereich oder auf kleinen Flächen können die angebotenen Packungsgrößen eine Herausforderung darstellen, da von Regio-Saatgut häufig nur als Gebinde ab 1 Kilogramm erhältlich sind. Aus diesem Grund stellen wir im Rahmen unserer Beratungstätigkeiten Kleinstmengen eigener Mischungen zur Ansaat auf geeigneten Flächen zur Verfügung.
Hilfreiche Hinweise für die Ausschreibung von gebietseigenem Saat- oder Pflanzgut für die Verwendung in der freien Natur in Berlin finden Sie in der Broschüre „Pflanzen für Berlin“ der Berliner Senatsverwaltung.
Saatgutmischungen für Berlin
Einheimische Wildpflanzen sind für die biologische Vielfalt einer Region sehr wichtig. Denn von jeder einheimischen Pflanzenart sind mehrere Tierarten abhängig. Damit es in Berlin künftig mehr brummt, summt und schillert, haben wir drei insektenfreundliche Saatgutmischungen zusammengestellt:
- Den „Kräuter- und Magerrasen“,
- die „Kräuterreiche Frischwiese“ und
- den „Wildbienen- und Schmetterlingssaum“
Unsere Mischungen aus zertifiziert gebietseigener Herkunft beinhalten alle um die 40 gebietsheimischen Pflanzenarten sowie einen geringen Anteil an Gräsern, die bestens an die Berliner Bedingungen angepasst sind. Je nach Verfügbarkeit einzelner Arten ändern sich die Zusammensetzungen. Die jahresübergreifenden Artenlisten können Sie der Infothek entnehmen.
Viele der herkömmlichen Blühmischungen bestehen aus nichtheimischen Arten, in deren Heimat beispielsweise die Böden Feuchtigkeit besser speichern oder mehr Regen fällt. In Berlin sind sie deshalb selbst in durchschnittlich feuchten Jahren auf eine ständige Bewässerung angewiesen. Das ist einer der Gründe, warum manche Blühmischungen nicht gut gedeihen. Außerdem werden in diesen Blühmischungen oft einjährige Arten verwendet, um einen schnellen, aber kurzfristigen Effekt zu erreichen, der wenig nachhaltig ist.
Wildpflanzen sind besonders - beachten Sie unsere Tipps zu Ansaat und Pflege
Grundsätzlich gilt: Was sich selber angesiedelt hat, ist perfekt angepasst und bestens verwurzelt. Unsere erste Wahl ist daher immer eine Entwicklung der vorhandenen Vegetation durch angepasste Pflege. Sollte das Artenspektrum einer Fläche nicht ausreichend sein, ist als zweite Wahl eine Anreicherung der Bestandsvegetation durch Saatgutmischungen möglich.
Ob Jugendzentrum, Kiez-Initiative oder Privatgarten: Im Rahmen unserer Beratungstätigkeit können wir kleine Mengen dieser Mischungen aus zertifiziert gebietseigener Herkunft (Vorkommensgebiet 4) ausgeben.
Für die Aussaat dieser Mischung eignen sich trockene bis frische Standorte mit sandiger bis lehmiger Erde und einem geringen Nährstoffgehalt. Die Flächen sollten gut besonnt bis halbschattig und keiner intensiven Trittbelastung ausgesetzt sein.
Die Saatgutmischung setzt sich aus bis zu 53 Wildpflanzen- und 5 Grasarten zusammen. Sie besteht aus überwiegend niedrigwüchsigen, konkurrenzschwachen Arten, die trockenheitsverträglich sind. Außerdem sind in der Mischung höherwüchsige, buntblühende Arten der Wiesen und Säume enthalten. Das Ergebnis ist ein lichter Kräuterrasenbewuchs.
Wildkräuter wie Flockenblume, Königskerze und Margerite entwickeln sich zu extensiven Rasen- und Wiesenflächen, die nach ihrer Etablierung nicht mehr gegossen werden müssen. Verschiedene Blüten sorgen von Mai bis September für ein großes Nahrungsangebot für bestäubende Insekten wie (Wild-)Bienen, Schmetterlinge und Tagfalter.
Nach dem ersten Jahr müssen die Flächen nur ein- bis zweimal im Jahr gemäht werden. Bitte düngen Sie den Magerrasen nicht, da sonst sein charakteristisches Artenspektrum schnell verloren geht.
Diese Mischung eignet sich für die nachhaltige Anlage von Wiesenflächen an sonnigen bis halbschattigen, eher frischen Standorten. Das Artenspektrum ähnelt dem „Wildbienen- und Schmetterlingssaum“, doch wurden weitere Gräser ergänzt und einige sehr hochwüchsige Stauden durch frischwiesentypische Kräuter ersetzt. So entsteht eine vielfältige Wiesengemeinschaft aus bis zu 52 krautigen Wildpflanzen sowie bis zu 7 Grasarten.
Wildblumen wie Heidenelke (Dianthus deltoides), Hasenklee (Trifolium arvense) und Kuckucks-Lichtnelke (Lychnis flos-cuculi) sorgen für Blühaspekte und ein insektenfreundliches Nektarbuffet von Mai bis Oktober.
Die „Kräuterreiche Frischwiese“ sollte zweimal jährlich gemäht und keinesfalls gedüngt werden, um die Wiesenarten optimal zu fördern und den Charakter zu erhalten.
Für die Aussaat dieser Mischung eignen sich sonnige bis halbschattige Standorte mit trockenem bis frischem, nährstoffarmem Boden. Beachten Sie, dass diese Mischung einige hochwüchsige Arten enthält. Sie ist daher besonders gut für Saum- und Randbereiche geeignet.
Sie enthält bis zu 42 krautige Wildpflanzen, sowie bis zu 3 Grasarten.
Diese bunte Auswahl aus typischen Wildkräutern Berlins, wie z.B. die Gewöhnliche Schafgarbe (Achillea millefolium), die Rundblättrige Glockenblume (Campanula rotundifolia) oder die Acker-Witwenblume (Knautia arvensis), blüht zwischen Mai und Oktober und bietet ein langanhaltendes Nahrungsangebot für bestäubende Insekten.
Ist der Wildbienen- und Schmetterlingssaum einmal angewachsen, sollte er nur noch in starken Trockenperioden gewässert werden. Wie bei allen unseren Saatgutmischungen sollte keinesfalls gedüngt werden. Eine Mahd pro Jahr reicht, am besten im zeitigen Frühjahr.
Übrigens sind die Säume auch im Winter ein schöner Hingucker. Die verbleibenden Samenstände und Stängel bieten Futter für Vögel und Überwinterungsmöglichkeiten für verschiedene Falterarten – und bei Raureif ein zauberhaftes Gartenbild!