Die Vielfalt im Blick

Pflanze des Monats Februar 2025

Flug-Hafer Avena fatua L.

Twist and Go: Der Flug-Hafer hat den Dreh raus

Der Flug-Hafer, Avena fatua, beeindruckt durch die geniale Mechanik seiner Frucht. Schon der Botaniker Schkur schrieb 1803 in seinem Botanischen Handbuch „Von den Grannen [der Frucht] … kann ein gutes Hygrometer gefertigt werden.“ Der Grund dafür ist ihre Fähigkeit, Wasser aus der Umgebung aufzunehmen. Durch die anschließende Dehnung kommt es zu einer Drehbewegung der Granne, die eine Veränderung der Luftfeuchtigkeit sichtbar macht. Die Frucht selbst nutzt diese Technik, um sich am Boden zu bewegen und sich selbstständig im Boden zu verankern – ein Meisterwerk der Evolution. Eine Ackerbegleitart, die in der Landwirtschaft bisweilen als lästiges „Unkraut" gilt, zeigt sich bei genauerem Hinsehen als echtes Naturwunder!

Hier können Sie diese faszinierende Technik im Zeitraffer bewundern.
 

Behaarung ist ganz entscheidend

Avena fatua ist ein einjähriges Süßgras und wächst 0,6 bis 1,2 m hoch. Seine windbestäubten Blüten öffnen sich von Juni bis August. Um den Flug-Hafer zu erkennen, ist es hilfreich, wenn man die Wuchsform des kultivierten Saat-Hafers kennt. Denn achtet man auf Haferbestände innerhalb von Getreideäckern oder besonders hochwüchsigen Exemplaren innerhalb von Saat-Haferäckern, kann man fündig werden. Im nächsten Schritt sollten die überhängenden, langgestielten Ährchen der Rispe betrachtet werden. Weisen sie zwei bis drei lange, gekniete Grannen auf und sind die Deckspelzen lang und borstig behaart, hat man gute Chancen, Avena fatua entdeckt zu haben!

Der Flug-Hafer ist eine klassische Ackerbegleitart und perfekt an den regelmäßig durch Bodenbearbeitung gestörten Standort angepasst. Er bevorzugt lehmige bis tonige, wechseltrockene bis -feuchte Äcker und mäßig trockene Ruderalstellen.

Kulturfolger erschließen neue Lebensräume zusammen mit dem Menschen

Der Ursprung der Art wird in Vorderasien vermutet. Von dort breitete sie sich zusammen mit dem Ackerbau über Europa bis nach Sibirien aus. Pflanzenarten, die so bis zu Beginn der Neuzeit nach Mitteleuropa gelangten, werden als Archäophyten bezeichnet. In Amerika, Südostasien, Australien und Neuseeland ist der Flug-Hafer ein weit verbreiteter Neophyt.

Deutschland liegt im Hauptverbreitungsgebiet der Art. Während sie in Nordwest-, Mittel- und Süddeutschland häufig ist, ist sie im nordostdeutschen Flachland und Teilen von Sachsen deutlich seltener. In der Zeit vor der industriellen Landwirtschaft war der Flug-Hafer ein häufiger Gast auf Äckern. Seit 1980 ist ein starker Rückgang zu verzeichnen, besonders in Schleswig-Holstein, Bayern und Brandenburg. In Berlin wurde die Art in den letzten Jahren nur noch ganz vereinzelt an Äckern gefunden. Damit ist der Flug-Hafer ein gutes Beispiel dafür, dass Arten regional mit unterschiedlicher Häufigkeit auftreten. Mitunter taucht er an Vogelhäuschen auf, da er in den Futtermischungen als „blinder Passagier“ enthalten sein kann.

Dort lästiges Unkraut, hier seltener Gast

Wie sich schon andeutet, gilt die Art in Deutschland nicht als gefährdet. Dennoch steht Avena fatua in Gebieten mit geringer Häufigkeit durchaus unter Druck des lokalen Verschwindens, so auch in Berlin. Hier ist die Art vom Aussterben bedroht. Der Rückgang ist in Berlin mit Veränderungen in der Landnutzung, wie der Umwandlung von extensivem Acker in Grünland, dem Wechsel von Getreide zu anderen Kulturpflanzen und der Überbauung von Äckern, zu erklären. Ohne geeigneten Lebensraum kann die Art nicht fortbestehen.

Bester Umgang: Archeflächen für Ackerwildkräuter

Um dem Verschwinden der Art in Berlin entgegenzuwirken, sollten geeignete Ackerstandorte erhalten und auf extensive Weise bewirtschaftet werden. Mit Blick auf die begrenzte Anzahl an Ackerflächen im Berliner Stadtgebiet könnte es sinnvoll sein, sogenannte Naturschutzäcker zu entwickeln. Diese können als Arche für viele Ackerwildkrautarten dienen und gleichzeitig einen wichtigen Beitrag zur Umweltbildung leisten. Den Menschen in der Stadt könnte so vermittelt werden, welche Bedeutung eine extensive Bewirtschaftung ohne Einsatz von Pestiziden für die Erhaltung der biologischen Vielfalt hat.

Sollten Sie auf Ihren Spaziergängen entlang von Berliner Äckern oder an anderen Stellen in der Feldflur den Flug-Hafer finden, freuen wir uns sehr über eine Fundmeldung per E-Mail mit Fotobeleg. Vielen Dank!

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