Logo Stiftung Naturschutz Berlin  
Die Vielfalt im Blick

Pflanze des Monats Juni 2024

Kleiner Klappertopf Rhinanthus minor L.

Parasiten haben meist einen schlechten Ruf. Dabei ist ihre Lebensweise äußerst faszinierend und oft sind sie daran erstaunlich gut angepasst. Nicht weniger erstaunlich sind die Abwehrstrategien, die ihre Wirtspflanzen dagegen entwickelt haben. Eine gut erforschte und noch dazu attraktive Art, um solche Strategien kennenzulernen, ist unsere Pflanze des Monats Juni, der Kleine Klappertopf (Rhinanthus minor).

Auf Wiesen und Weiden zuhause

Der Kleine Klappertopf wächst als einjährige krautige Pflanze auf Wiesen und Weiden und ist als Halbparasit nicht zwingend auf eine Wirtspflanze angewiesen. Pflanzen ohne Wirt werden allerdings oft nur 10 cm groß. Befinden sich geeignete Wirtspflanzen in seiner Nähe, kann Rhinanthus minor Wuchshöhen von bis zu 50 cm erreichen. Entscheidend ist jedoch, welche Pflanzenarten dort wachsen. Doch dazu später mehr.

Der Stängel ist nur bei gut entwickelten Pflanzen verzweigt und besitzt gegenständige Blätter. Diese sind schmal eiförmig mit einem gesägten Rand und werden etwa 2 bis 3 cm lang. Von Mai bis September entwickeln sich die Blüten. Der genaue Zeitpunkt unterscheidet sich von Ort zu Ort, da es mehrere Unterarten und Ökotypen gibt, die sich an verschiedene Mahdzeitpunkte auf Wirtschaftswiesen angepasst haben. Die dunkelgelben Blüten sind etwa 15 mm lang und bestehen aus einer Kronröhre, die sich mit einem zweilippigen Schlund öffnet. Im Gegensatz zu anderen Klappertopf-Arten ist der Rücken der Kronröhre gerade und der Schlund leicht geöffnet.

Die Form der Blüten ist eine Anpassung an bestäubende Insekten, die vor allem aus verschiedenen Hummelarten und anderen Wildbienen bestehen. Diese landen meist auf der Unterlippe, um an den Nektar im Blüteninneren zu gelangen. Dabei streifen sie mit ihrem Rücken den Pollen von den Staubblättern ab. Unter den Hummeln gibt es allerdings auch Nektardiebe, die einfach ein Loch in die Kronröhre beißen und so als Bestäuber ausfallen. Auch damit kann der Kleine Klappertopf umgehen, denn die Blüten können sich auch selbst bestäuben.

Als Frucht wird eine flache Kapsel gebildet, die nur wenige Samen enthält und sich im unbehaarten Kelch verbirgt. Ähnlich wie beim Großen Klappertopf (Rhinanthus serotinus) fallen die Samen bei stärkeren Berührungen aus den Kapseln. Dabei entsteht das namensgebende klappernde Geräusch. Eine effektive Ausbreitung erfolgt bei der Heuernte. Im Spätsommer und Herbst sterben die Pflanzen ab und nur die Samen sichern den Fortbestand der Art.

Ein Parasit hat nicht immer Erfolg

Doch wie parasitiert der Kleine Klappertopf? Nach der Keimung im Februar oder März bildet der Keimling Wurzeln aus. Bei Kontakt zu benachbarten Pflanzenwurzeln beginnen sie, diese zu umwachsen. Dabei entwickeln sie einen Fortsatz, der in die Leitgefäße der Wirtspflanze eindringt. Als Halbparasit zapft Rhinanthus minor nur die wasserleitenden Gefäße an, nicht jedoch Gefäße, welche Fotosyntheseprodukte wie Zucker transportieren. Trotzdem werden wichtige Nährsalze und vor allem Stickstoff abgezweigt. Die großen Spaltöffnungen des Kleinen Klappertopfs ermöglichen eine hohe Verdunstungsleistung, weshalb permanent Wasser aus den Wurzeln der Wirtspflanze entnommen werden kann. Häufig werden verschiedene Wirte befallen. Diese können sich allerdings auch wehren.

So bildet sich in den Wurzeln der Wiesen-Margerite ein verkorkter Bereich um die eindringenden Wurzeln des Klappertopfs, der ein Anzapfen der Leitgefäße verhindert. Beim Spitz-Wegerich sterben die Zellen rings um die Eintrittsstelle ab und erzeugen eine ähnliche Wirkung. Nicht alle Pflanzenarten haben solche Abwehrmechanismen entwickelt. Zu ihnen gehören die meisten Gräser und Schmetterlingsblütler, die deshalb zu den bevorzugten Wirtspflanzen des Kleinen Klappertopfs zählen und bei Befall deutlich geschwächt werden.

Wie Wiesen artenreicher werden

Auf den Wiesen, die zum Lebensraum von Rhinanthus minor gehören, verändert er somit auch deren Zusammensetzung. Dazu gehören Feucht- und Frischwiesen, aber auch Trocken- und Halbtrockenrasen. Dort werden dominante Gräser und Schmetterlingsblütler wie Klee und Luzerne geschwächt und seltene, meist konkurrenzschwache Pflanzen gefördert. Daneben ist der Kleine Klappertopf eine Futterpflanze für die Larven seltener Tagfalter, wie dem Ehrenpreis-Scheckenfalter (Melitaea aurelia) oder dem Enzian-Ameisenbläuling (Phengaris alcon). Bei den Bodenbedingungen ist er weniger stark spezialisiert als andere Klappertopf-Arten. Allgemein kommt er auf relativ stickstoffarmen Böden vor, die basisch bis schwach sauer sind.

Die Anspruchslosigkeit des Kleinen Klappertopfs hat ihm eine Vielzahl an Lebensräumen und somit auch ein großes Verbreitungsgebiet erschlossen. Außerhalb des Mittelmeerraumes kommt er in ganz Europa vor und reicht mit seinen östlichen Ausläufern bis ins westliche Sibirien. Selbst auf Island und in Teilen Nordamerikas ist er zu finden. Vermutlich wurden viele der nordamerikanischen Vorkommen allerdings durch Heuimporte eingeschleppt und sind als neophytisch zu bewerten.

Erst gefördert, jetzt gefährdet

Die Anpassung von Rhinanthus minor an die menschliche Bewirtschaftung von Wiesen- und Weidelandschaften wird ihm inzwischen aber zum Verhängnis. Viele ehemals artenreiche Wiesen verschwinden, weil sich eine traditionelle Bewirtschaftung mit zweimaliger Mahd pro Jahr nicht mehr lohnt. Die Flächen werden entweder aufgegeben und verbuschen oder sie werden gedüngt, um eine hohe Mahdhäufigkeit zu erreichen. Dadurch wird die Blüte und Samenbildung vieler Pflanzenarten verhindert, was besonders einjährige Arten trifft.

In Deutschland steht der Kleine Klappertopf auf der Vorwarnliste. In Brandenburg und Berlin wurde in den letzten Jahrzehnten ein starker Rückgang verzeichnet und er gilt als vom Aussterben bedroht. Um die wenigen noch bestehenden Vorkommen zu erhalten, ist eine Beibehaltung der bisherigen Nutzung und Pflege wichtig. Auf den Berliner Flächen besteht sie vor allem aus einer zweischürigen Mahd im Rahmen von Naturschutzmaßnahmen. Ideal ist eine Beweidung durch Schafe, die auf vielen ehemaligen Wirtschaftswiesen für die Erhaltung dieser inzwischen seltenen Lebensräume mit ihrer besonderen Pflanzen- und Tierwelt eingesetzt wird.

Sollten Sie auf Ihren Spaziergängen durch die Berliner Wiesen diesem kleinen, attraktiven Parasiten begegnen, freuen wir uns sehr über eine Fundmeldung per E-Mail mit Fotobeleg. Vielen Dank!

Alle Pflanzen des Monats von A - Z