Pflanze des Monats Januar 2024
Keulen-Bärlapp Lycopodium clavatum
Wer dieser Pflanze begegnet, dem fällt sofort ihre urtümliche Gestalt auf: Ein langer, kriechender Spross, der sich regelmäßig gabelt und aufrecht wachsende Seitenzweige bildet. Im Sommer entwickeln sich daran keulenförmige Ähren. Die Rede ist vom Keulen-Bärlapp (Lycopodium clavatum), der zu den Sporenpflanzen gehört. Diese bilden keine Samen, weswegen die sporenbildenden „Ähren“ botanisch auch „Sporophyllstand“ genannt werden. Der Spross mit seinen behaarten Blattspitzen erinnert entfernt an eine Wolfstatze. Darauf bezieht sich der botanische Gattungsname Lycopodium (griech. lykos: Wolf und podion: Fuß). Im deutschen Sprachraum wurde offenbar eine größere Ähnlichkeit zu einer Bärentatze gesehen, denn das althochdeutsche Wort lappo bedeutet „flache Hand“.
Der Keulen-Bärlapp gehört zu einer sehr alten Pflanzengruppe, den Bärlapppflanzen (Lycopodiopsida). Im Karbon, vor etwa 360-300 Millionen Jahren, war diese Gruppe sehr artenreich. Zu ihren Vertretern zählten vor allem große Bäume. Diese bildeten die ersten Regenwälder der Erdgeschichte, aus deren riesigen Fossillagerstätten noch immer Steinkohle gewonnen wird. Nach Klimaveränderungen am Ende des Karbons verschwanden die Wälder innerhalb kurzer Zeit und mit ihnen fast alle baumförmigen Bärlappe. Heute existieren nur noch einige hundert krautige Arten dieser einst großen Pflanzengruppe, von denen die meisten in den Tropen vorkommen.
Urtümliches Gewächs mit komplizierter Fortpflanzung
Der Keulen-Bärlapp wächst als mehrjährige Pflanze, die bis zu 4 m lange, oberirdische Kriechsprosse ausbildet. Die Kriechsprosse sind nur schwach bewurzelt und bilden aufsteigende, 20 bis 30 cm hohe Äste. Eine urtümliche Besonderheit des Keulen-Bärlapps ist die Art, wie sich diese Seitenäste bilden: Eine Verzweigung erfolgt, indem sich die Sprossspitze in zwei neue Spitzen aufteilt. Im Gegensatz dazu verzweigen sich die erdgeschichtlich später entstandenen Samenpflanzen aus Knospen in den Blattachseln.
Die gesamte Pflanze ist dicht mit nadelförmigen, aufrecht abstehenden Blättchen besetzt, an deren Spitze ein 2-4 mm langes Glashaar sitzt. Dadurch schimmern die grünen Triebe weißlich und können von verwandten Arten wie dem Sprossenden Bärlapp unterschieden werden. Von Juli bis August bilden die aufsteigenden Sprosse gelbliche Sporophyllstände bzw. Ähren, von denen meist 2 oder 3 auf einem 2 bis 15 cm langen Stängel stehen. Die Blätter in diesen Ähren tragen auf ihrer Oberseite die Sporenbehälter. Die Sporen sind winzig und können durch den Wind sehr weit ausgebreitet werden. Allerdings keimen nur wenige von ihnen und dies erst nach mehreren Jahren. Falls es gelingt, wachsen sie zu einem unterirdisch lebenden Vorkeim aus. Dieser ist vollständig auf die Versorgung durch Pilze angewiesen, da er keine Wurzeln besitzt und keine Photosynthese betreibt. Erst nach 12 bis 15 Jahren bildet der Vorkeim die Geschlechtszellen. Aus der befruchteten Eizelle entwickelt sich schließlich eine oberirdisch lebende Bärlapppflanze, die weiterhin auf eine Symbiose mit Pilzen angewiesen ist. Aufgrund der langwierigen sexuellen Fortpflanzungsweise ist eine Vermehrung durch Ausläufer jedoch an vielen Standorten vorherrschend.
Weltenbummler mit geringen Ansprüchen
Wenn die Bedingungen am Standort günstig sind, ist diese Vermehrungsweise jedoch sehr effektiv. Der Keulen-Bärlapp bevorzugt nährstoff- und kalkarme, saure Sand- oder Lehmböden, die mäßig trocken oder frisch sein können. Wichtig ist eine geringe Konkurrenz durch schnell wachsende Pflanzen, da er durch starke Beschattung und die Bedeckung mit einer dichten Laubschicht verschwindet. Damit ist Lycopodium clavatum ein typischer Pionier, dessen Kriechsprosse ausgehend von einer einzigen Pflanze innerhalb kurzer Zeit Störungsstellen wie Wegböschungen oder Sandgruben besiedeln können. Auch an Autobahnböschungen und sogar auf Skipisten wurden schon Vorkommen entdeckt. Langfristig halten kann sich die Pflanze auf Silikatmagerrasen und in lückigen Heiden, auf denen durch eine extensive Beweidung offene Stellen erhalten bleiben und die Entstehung von Busch- und Waldlandschaften verhindert wird. Daneben sagen ihm aber auch lichte Stellen in nährstoffarmen Wäldern zu.
Seine geringen Standortansprüche und die Möglichkeit, über Sporen weite Ausbreitungsdistanzen zu überwinden, haben dem Keulen-Bärlapp ein riesiges Verbreitungsgebiet erschlossen, das sich über die gemäßigten und kühlen Breiten der gesamten Nordhalbkugel erstreckt. Auch auf der Südhalbkugel existieren zahlreiche weit verstreute Vorkommen, hier insbesondere in kühleren Gebirgsregionen. In Europa reicht das Areal von den Pyrenäen und den Britischen Inseln im Westen über Skandinavien bis zum Ural im Osten, während die südliche Verbreitungsgrenze in Norditalien, in den höheren Lagen des nördlichen Balkans und im Norden der Ukraine liegt.
Überdüngung bedroht den Keulen-Bärlapp
Trotz dieser weiten Verbreitung ist Lycopodium clavatum im Rückgang begriffen. Insbesondere in Deutschland ist die ehemals häufige Art aus vielen Gebieten verschwunden und gilt als gefährdet. Während die giftige Pflanze früher als Arzneidroge verwendet und ihre Bestände besammelt wurden, ist sie heute durch das Bundesnaturschutzgesetz geschützt und darf nicht aus der Natur entnommen werden. Die größten Gefährdungsursachen liegen inzwischen in hohen Nährstoffeinträgen aus der Luft und der Landwirtschaft sowie in der Aufgabe der traditionellen Bewirtschaftung von Wäldern, Heiden und Magerrasen. Dadurch verbuschen geeignete Standorte oder es entstehen nährstoffreiche Wälder, in denen nur wenige Pflanzenarten wachsen. Hinzu kommt vermutlich, dass auch die Pilzarten, auf die der Keulen-Bärlapp angewiesen ist, durch Nährstoffbelastungen verschwinden.
Nährstoffeinträge sind wohl auch der Grund, weshalb der Keulen-Bärlapp in Berlin seit 2009 als verschollen gilt. Damals konnten die beiden letzten bekannten Vorkommen im Spandauer Forst und im Düppeler Forst nicht wiedergefunden werden. Stattdessen hat sich in den ehemals lichten Wäldern ein schattiger Baumbestand entwickelt und an den Wegböschungen sind dichte Bestände stickstoffliebender Pflanzen entstanden. Es besteht jedoch die Möglichkeit, dass der Keulen-Bärlapp über Sporen aus benachbarten Standorten in Brandenburg wieder nach Berlin einwandert. Leider sind die wenigen Bestände auch dort stark gefährdet. Um dem Keulen-Bärlapp eine Chance zu geben, ist es wichtig, die letzten Brandenburger Vorkommen durch Pflegemaßnahmen zu erhalten. Hierzu kann die Entfernung von Gehölzen oder auch eine extensive Beweidung gehören. Auf Dauer kann dem Keulen-Bärlapp aber nur eine starke Verringerung der Stickstoffbelastung und eine weniger intensive Land- und Forstwirtschaft helfen.
Sollten Sie auf Ihren Spaziergängen diese urtümliche Pflanze finden, freuen wir uns sehr über eine Fundmeldung per E-Mail mit Fotobeleg. Vielen Dank!
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