Die Vielfalt im Blick

Pflanze des Monats August 2023

Wasserprimel Hottonia palustris L.

Viele Menschen kennen Primeln eher als Zierpflanzen, die besonders im Frühjahr als „Gartenprimeln“ in jedem Blumenladen angeboten werden. Neben diesen bekannten Kultursorten gehören zur Familie der Primelgewächse (Primulaceae) auch attraktive Wildpflanzen, die an verschiedenste Lebensräume angepasst sind.

So ist die nach dem niederländischen Botaniker Peter Hotton (1648-1709) benannte Wasserprimel (Hottonia palustris) eine typische Sumpf- und Wasserpflanze. Auch ihre Blüten bieten eine botanische Besonderheit, die 1793 erstmalig von dem in Berlin tätigen Naturkundler und Theologen Christian Konrad Sprengel an dieser Art beschrieben wurde und die heute als Heterostylie oder Verschiedengriffeligkeit bekannt ist: Wasserprimeln besitzen zwei verschiedene Blütentypen, welche sich durch die Länge von Staubblättern und Griffel unterscheiden. Diese spielen auch eine Rolle bei der Verhinderung von Selbstbestäubung. Doch dazu weiter unten mehr.

Ein Schmuckstück im Schlamm

Die Wasserprimel ist eine ausdauernde und wintergrüne, krautige Pflanze, die im schlammigen Grund von Gewässerrändern wurzelt. Dabei bevorzugt sie stehende, mäßig nährstoffreiche und nicht zu tiefe Gewässer, zum Beispiel in Gräben, Teichen oder in Altarmen von Flüssen. Wie viele andere Wasserpflanzen kann sie je nach Standort unterschiedlich gestaltet sein. Die untergetaucht wachsende Wasserform wird gewöhnlich bis zu 50 cm lang und besitzt eine verzweigte und mit zahlreichen weißen Wurzeln versehene Sprossachse. Diese kann in klaren Gewässern auch eine Länge von 190 cm erreichen. Auf trockengefallenem Schlamm ist die Sprossachse dagegen stark gestaucht und die Pflanze erreicht eine Höhe von etwa 10 cm. Die bis zu 8 cm langen Blätter sind wechselständig angeordnet, stehen aber häufig dicht und quirlartig beieinander. Wie bei allen Wasserpflanzen werden Nährsalze und CO2 über die gesamte Oberfläche aufgenommen. Um diese zu vergrößern, sind die Blätter kammartig eingeschnitten. Die so entstehenden Blattzipfel sind 1,5 mm schmal und 3 bis 5 cm lang.

Von Mai bis Juli wachsen aus den Blattachseln bis zu 50 cm hohe Blütenstände, die sich über die Wasseroberfläche erheben. Jeweils 3 bis 5 kurz gestielte Blüten entwickeln sich daran in mehreren entfernt stehenden „Etagen“. Die Blütenstiele und der Kelch sind mit rötlichen Drüsenhaaren besetzt. Die fünfzähligen Blüten sind radförmig und helllila bis weiß mit einem gelben Schlund. Sie messen 2 cm im Durchmesser und besitzen eine 5 bis 9 mm lange Kronröhre.

Bestäubt werden die Blüten von Bienen, Hummeln und Schwebfliegen. Dabei zeigen sie eine starke Selbststerilität, die mit der oben erwähnten Verschiedengriffeligkeit gekoppelt ist. Die Blüten besitzen entweder einen kurzen Griffel, der unterhalb der viel längeren Staubblätter positioniert ist, oder einen langen Griffel, der die viel kürzeren Staubblätter überragt. Auf der Narbe keimt nur der Pollen von Pflanzen des anderen Blütentyps. Durch die unterschiedliche Länge der Staubblätter wird der Pollen entweder im vorderen oder hinteren Bereich der Bestäuber positioniert. So wird die Bestäubung von Pflanzen unterschiedlicher Blütentypen zusätzlich gefördert.

Nach erfolgreicher Befruchtung bildet sich eine Kapselfrucht. Ihr Stiel verlängert sich stark, sodass die Kapsel unter die Wasseroberfläche sinkt. Dort öffnet sie sich und entlässt zahlreiche schwimmfähige Samen, die wegtreiben oder durch Wasservögel ausgebreitet werden. Neben der Vermehrung durch Samen können sich auch abgebrochene Sprossteile neu bewurzeln.

Tieflandgewächs

Das Verbreitungsgebiet von Hottonia palustris liegt in Europa und reicht von der französischen Atlantikküste bis Westrussland. Die südlichsten Vorkommen liegen in Norditalien und dem Balkan, während die nördliche Verbreitungsgrenze von Irland bis Südskandinavien reicht. Als typische Pflanze des Tieflands fehlt sie in den Mittel- und Hochgebirgen Europas. In Deutschland hat sie einen klaren Verbreitungsschwerpunkt nördlich der Mittelgebirge.

Als der in Berlin tätige Naturkundler Christian Konrad Sprengel die Wasserprimel untersuchte, kam sie hier noch recht häufig vor. Inzwischen ist sie größtenteils auf Vorkommen im Norden, Westen und im Südosten der Stadt beschränkt, etwa im Tegeler und Spandauer Forst und in Köpenick rund um den Müggelsee. Nicht nur in Berlin, sondern im gesamten Verbreitungsgebiet hat sie seit der Mitte des 20. Jahrhunderts deutlich an Vorkommen eingebüßt. Der Rückgang ist inzwischen so deutlich, dass sie in Berlin als stark gefährdet und in Brandenburg als gefährdet gilt. Deutschlandweit ist sie eine Art der Vorwarnliste und gesetzlich geschützt, die Pflanzen dürfen also nicht aus der Natur entnommen oder ihre Lebensräume zerstört werden.

Schnell fließende Gewässer machen es der Wasserprimel schwer

Ein Grund für ihren Rückgang liegt im Gewässerausbau und hier insbesondere in der Begradigung von Flüssen, wodurch die Fließgeschwindigkeit erhöht und die Entstehung von stillstehenden Altarmen verhindert wird. Hinzu kommt eine zunehmende Anreicherung ihrer Lebensräume mit Nährstoffen, wodurch Algenblüten und konkurrenzstarke Pflanzen wie Schilf und Großseggen gefördert werden. Ein weiteres Problem ist die Entwässerung oder das Trockenfallen von Gräben durch die Zunahme von Trockenperioden. Um den Rückgang der Wasserprimel zu stoppen, sind bestehende Vorkommen in Gräben, Kleingewässern, Erlenbrüchen und anderen Feuchtgebieten vor Beeinträchtigungen zu schützen. Eine weitere Maßnahme besteht in der Renaturierung von Flüssen und ihrer Auen, um Altarme und nasse Auwälder als wertvollen Lebensraum für die Wasserprimel und andere Arten zu entwickeln.

Sollten Sie auf Ihren Spaziergängen diese besondere Wasserpflanze finden, freuen wir uns sehr über eine Fundmeldung per E-Mail mit Fotobeleg. Vielen Dank!

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