Die Vielfalt im Blick

Pflanze des Monats März 2016

Wald-Schachtelhalm Equisetum sylvaticum L.

Um der Urzeit ganz nahe zu sein, können die Berliner T-Rex, Brachiosaurus und Archaeopteryx im Naturkundemuseum besuchen – oder einen Waldspaziergang in alten, feuchten Laubmisch- und Auenwäldern in Spandau, Pankow und Köpenick unternehmen. Hier ist der Wald-Schachtelhalm zu finden, ein „lebendes Fossil“, das seit über 2,5 Millionen Jahren in unveränderter Form existiert. Kaum zu glauben, dass die zierliche, mit fein verzweigten Ästen ausgestattete und maximal 50 cm hohe Art zudem vor 250 bis 359 Millionen Jahren im Karbon und Perm baumstarke Verwandte hatte, die bis zu 30 m Höhe und einen Meter Durchmesser erreichten! Der Wald-Schachtelhalm ist eine Sporenpflanze, die ab März mit gelbbraunen, astlosen generativen Sprossen und grünen, verzweigten vegetativen Sprossen aus einem ausgedehnten und tiefreichenden Wurzelsystem (Rhizom) austreibt. Die Sporenreife erfolgt von April bis Mai, danach bilden sich die sporentragenden Sprossen zu grünen Laubsprossen um. Das Rhizom ist jedoch das eigentlich Bemerkenswerte an dieser Pflanze. Es kann die oberirdische Biomasse um das 100fache übersteigen und widersteht selbst Waldbränden. Seine maximale Lebensdauer wird auf mehrere tausend Jahre geschätzt. 

So unzerstörbar die Pflanze auch wirkt, so empfindlich reagiert sie jedoch auf eine dauerhafte Austrocknung des Bodens. Der Wald-Schachtelhalm ist auf der Nordhalbkugel in gemäßigtem bis nordischem Klima heimisch und hat seinen Schwerpunkt in ausgedehnten, feuchten bis nassen Laub- und Nadelwäldern. Diese bieten ein störungsarmes Waldinnenklima und können Trockenperioden abpuffern, sodass Rhizom und Jungpflanzen geschützt sind. In Deutschland gilt der Wald-Schachtelhalm als Zeigerart „historisch alter Wälder“, d.h. seine Wuchsorte sind ganz überwiegend seit mindestens 200 Jahre kontinuierlich mit Wald bedeckt. Vergleichbare Waldgebiete sind in Mitteleuropa und insbesondere in einer Großstadt wie Berlin sehr selten geworden. Gefährdungen bestehen innerhalb der Wälder auch durch künstliche Grundwasserabsenkung und in der Nähe von Wegen durch die Ablagerung von Müll, Gartenabfällen und Holzstapeln.

Der Wald-Schachtelhalm ist in Berlin vom Aussterben bedroht und kommt nur noch in drei weit auseinanderliegenden Waldgebieten in Spandau, Pankow und Köpenick sowie mit einem Reliktbestand in Reinickendorf vor. Um die letzten Vorkommen zu schützen und die Neuansiedlung durch Sporen zu unterstützen, sollten der Grundwasserspiegel stabilisiert, in der Nähe der Vorkommen nasse Offenstellen geschaffen und die Bestände bei Forstarbeiten geschont werden. Dann haben Sie und Ihre Enkel gute Chancen, dem Wald-Schachtelhalm in Berlin auch in den nächsten Jahrhunderten zu begegnen.

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