Pflanze des Monats Juli 2015
Tataren-Leimkraut Silene tatarica
Der Weg ist das Ziel. So könnte man die Wanderbewegung vieler durch den Menschen verschleppter Neophyten beschreiben. Diese tauchen oftmals zuerst entlang von Verkehrswegen und ihren Knotenpunkten auf und nutzen diese auch für ihre weitere Ausbreitung und Etablierung. Manchmal spielen bei der Einwanderung auch große geschichtliche Ereignisse eine entscheidende Rolle. Ein schönes Beispiel hierfür ist das Tataren-Leimkraut, ein von Juli bis September mit radförmigen, filigranen weißen Blüten ausgestatteter Vertreter der Familie der Nelkengewächse (Caryophyllaceae), dessen Arealzentrum im mittleren Russland liegt. Das Tataren-Leimkraut ist in reichen, grundwassernahen Sandtrockenrasen auf trockengefallenen Sandbänken großer Flüsse heimisch. Von dort kann es jedoch auch auf ähnliche, durch den Menschen geschaffene Ersatzstandorte, wie z.B. sandige Äcker, Straßenränder, Gleisanlagen und Aufschüttungsflächen, übergehen. Das Tataren-Leimkraut erreicht entlang der Oder seine westliche natürliche Verbreitungsgrenze.
In Berlin wurde das Tataren-Leimkraut erstmals 1890 auf dem Bahnhof Moabit entdeckt. Doch dies blieb ein Einzelfund und die Art konnte über 50 Jahre nicht mehr bestätigt werden. Nach 1945 ergab sich jedoch eine zweite Chance der Ansiedlung. Mit der Roten Armee wanderten in Berlin Samen von in Osteuropa heimischen Pflanzen ein. In der Nachkriegszeit herrschte ein reger Austausch von Güterzügen und Fahrzeugen zwischen den in Berlin stationierten Truppen der Roten Armee und der Sowjetunion. Das Tataren-Leimkraut konnte in dieser Zeit in Berlin erfolgreich Fuß fassen, wie viele über West- und Ostberlin verstreute Funde in den 1950er Jahren zeigen. Die Art besiedelt in Berlin seither den westlichsten Vorposten ihres Verbreitungsgebietes.
Das Tataren-Leimkraut wurde seit 2000 nur noch im Ostteil der Stadt nachgewiesen. Die Art hat ihre größten Vorkommen auf ehemaligen Militärflächen der Sowjetischen Streitkräfte (Biesenhorster Sand, Teile der Wuhlheide) und der DDR-Staatssicherheit (ehem. Flugplatz Johannisthal, 1954 bis 1990 Standort des Wachregiments „Felix Dzierzynski“). Vereinzelt ist sie auch auf Bahngeländen, Brachen sowie in Straßen- und Wegsäumen zu finden. Die größte Gefährdung für die Art besteht in Berlin in der Bebauung und Versiegelung von Brachflächen. Daneben ist das Tataren-Leimkraut sowohl durch eine intensive Pflege von Grünflächen als auch durch eine Nutzungsaufgabe und nachfolgendes Zuwachsen der Bestände mit Hochstauden und Gehölzen gefährdet. Auch eine permanente Standweide mit Schafen wirkt sich negativ aus, denn die Art wird von Schafen gezielt abgefressen, wodurch keine Samen mehr gebildet werden können. Diese sind zum Erhalt der Art jedoch unverzichtbar, da sich das Tataren-Leimkraut nicht vegetativ vermehren kann.
Helfen Sie mit, das Tataren-Leimkraut in Berlin zu erhalten. Melden Sie uns einen Fund der Art per E-Mail – am besten mit Fotobeleg. Vielen Dank!
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