Die Vielfalt im Blick

Pflanze des Monats September 2022

Graue Kratzdistel Cirsium canum (L.) ALL.

Ist es draußen heiß, dann sind nicht nur wir auf Erfrischung angewiesen. Auch bei der Grauen Kratzdistel zeigt sich das Bedürfnis nach kühlen Füßen in ihrem Verbreitungsmuster, dass sich an den großen Flusstälern orientiert. Denn die seltene Pflanze ist eine sogenannte Stromtalpflanze, die in feuchten Lebensräumen von Zentraleuropa über die osteuropäische Ebene bis nach Westsibirien beheimatet ist.

In Berlin und sogar deutschlandweit zählt sie zu einer besonderen Rarität, die nur punktuell in Mittel- und Ostdeutschland vorkommt. In Deutschland, der Schweiz und in Norditalien erreicht die Graue Kratzdistel die Westgrenze ihres Areals. Im Süden verläuft die Grenze bis an das Balkangebirge. Zahlreiche inselartige Vorkommen reichen bis in die Türkei, ein größeres isoliertes Vorkommen ist am Kaukasus zu finden.

Schwer zu Gesicht zu bekommen

Ein weiterer Grund, warum kaum jemand die seltene Kratzdistel zu Gesicht bekommt, liegt an ihrem sehr nassen und meist geschützten Lebensraum. Die Graue Kratzdistel wächst nämlich bevorzugt in Sumpf- und Feuchtwiesen, gerne auch bei moorigen Verhältnissen und erträgt wechselnde Wasserstände mit Leichtigkeit. Gelegentlich findet man sie auch in Auwäldern oder entlang von Gräben. Doch gerade die feuchten und nassen Lebensräume sind bis heute auf der einen Seite durch Trockenlegung und landwirtschaftliche Nutzungsintensivierung und auf der anderen Seite durch Nutzungsaufgabe stark gefährdet.

Ein Blütenmagnet, der hoch hinaus will

Auch wenn pieksige Pflanzen wie die Kratzdisteln bei uns Menschen nicht allzu beliebt sind, wirken sie auf Insekten wie ein regelrechter Blütenmagnet. Zu den häufigsten Besuchern der Grauen Kratzdistel zählen Hummeln, Schwebfliegen und Schmetterlinge. Ihren Namen hat die ausdauernde Art im Übrigen den feinen Härchen an Stielen und Hüllblättern zu verdanken, die die Pflanze grau erscheinen lassen.

Zwischen Juli und August erstrahlen die lang gestielten Blütenköpfchen in kräftigem Purpur und sind mit Wuchshöhen bis zu einem Meter leicht auszumachen. Charakteristisch bei der Art ist der blattlose obere Stängelabschnitt, durch den die Blüten wie kugelige Antennen in den Himmel ragen. Die hohe Position der Blüten bringt dabei ganz praktische Vorteile. Je höher die Blütenköpfe aus der Wiese ragen, desto weiter werden die Samen später durch die Luft getragen. Denn die Graue Kratzdistel setzt wie viele weitere Korbblütler auf Schirmchenflieger, wie man sie von Pusteblumen kennt.

Timing ist alles

Damit die verbliebenen artenreichen Nass- und Feuchtwiesen nicht nach und nach mit schnellwüchsigen und konkurrenzstarken Röhrichtarten zuwuchern, ist die Art der Pflege für den Erhalt des Lebensraums von entscheidender Bedeutung. Und die ist bei der spät im Jahr blühenden Grauen Kratzdistel gar nicht so einfach zu timen. Denn wesentlich für die Art ist der richtige Mahd-Zeitpunkt. Dabei zählt entweder früh genug vor der Blüte zu mähen, ohne die empfindlichen Grundblätter der Pflanze zu verletzen, oder aber eine späte Mahd nach der Samenreife Ende September.

Sollten Sie die Graue Kratzdistel auf Ihren Spaziergängen finden, freuen wir uns sehr über eine Fundmeldung per E-Mail mit Fotobeleg. Vielen Dank!

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