Die Vielfalt im Blick

Pflanze des Monats Juni 2017

Europäischer Siebenstern Trientalis europaea L.

Tief im Spandauer Forst, in einer ehemaligen Moorrinne unter alten Erlen und Moorbirken, lebt der Europäische Siebenstern. Er ist benannt nach seinen von Mai bis Juli geöffneten, durch sieben leuchtend weiße Blütenblätter unverkennbaren Blüten. Bis sich die Pflanze jedoch über Samen vermehren kann, dauert es mitunter eine lange Zeit. Die dicht neben der Mutterpflanze niederfallenden Samen werden zum Teil von Tieren gefressen und unverdaut wieder ausgeschiedenen. Im Boden bleiben sie mehr als zehn Jahre keimfähig. Sie benötigen zur Keimung Feuchtigkeit und Licht. Letzteres ist jedoch am Boden im Waldesinnern rar und wird erst durch zufällige Störungen wie Windwurf, Insektenfraß oder Forstarbeiten in größerem Maße verfügbar. Ist der Europäische Siebenstern aber erst einmal zum Leben erwacht, hält er sich sehr lange. Eine skandinavische Kolonie der Pflanze weist ein Alter von über 400 Jahren auf. Die kleine, nur 5 bis 20 cm hohe Pflanze ist in den Tundren und Nadelwäldern der Nordhalbkugel verbreitet. In Deutschland fühlt sich die Art im feuchteren Nordwestdeutschland, nahe der Ostseeküste und in den Mittelgebirgen Mittel- und Ostdeutschlands wohl. Vorkommen in Brandenburg und Berlin wurden am Ende der letzten Eiszeit begründet, als einige Bestände dem zurückweichenden Eisschild nicht nach Skandinavien folgten, sondern stattdessen in einzelnen Waldmooren mit feuchterem und kälterem Mikroklima zurückblieben. 

Der Europäische Siebenstern ist im Laufe seines Lebens stets auf feuchten, sauren Boden, jedoch auf verschiedene Waldstadien angewiesen. Neben Licht kann auch lang anhaltender Frost die Samenruhe brechen. Sobald sich eine Pflanze des Europäischen Siebensterns etabliert hat, beginnen ein bis fünf unterirdische Ausläufer dicht unter der Oberfläche in alle Richtungen zu wachsen. Sie legen durchschnittlich 17 bis maximal 100 cm im Jahr zurück und bilden an ihren Enden im Herbst jeweils eine Überwinterungsknospe aus, aus der im nächsten Jahr eine Tochterpflanze entsteht. Diese ist mit der schließlich absterbenden Mutterpflanze genetisch identisch, stellt also einen Klon dar. Das unvorhersehbare, schnelle Auftreten der Tochterpflanzen und Verschwinden der Mutterpflanzen am Waldboden hat dieser Form der vegetativen Vermehrung ihren Namen gegeben: „Guerillastrategie“. Eine Kolonie des Europäischen Siebensterns kann sich auf diese Weise vegetativ über eine große Fläche ausbreiten. Nach vielen Jahrzehnten vegetativer Vermehrung bietet dann schließlich eine plötzlich entstehende Lichtung erneut die Chance auf eine Vermehrung durch Samen.

Der Europäischen Siebenstern wurde seit dem Jahr 2000 in Berlin nur noch im Spandauer Forst mit einem kleinen Bestand nachgewiesen. Die größten Gefährdungen der vom Aussterben bedrohten Art stellen künstliche Grundwasserabsenkung, starke Beschattung und Ausbreitung konkurrenzstarker Arten dar. Bei dauerhaft niedrigen Wasserständen können die Rhizome austrocknen und auch eine Keimung der Samen und damit die Verjüngung der Bestände wird unmöglich. Um den Europäischen Siebenstern in Berlin zu erhalten, sollten die Grundwasserstände im Spandauer Forst stabilisiert werden.

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