Die Vielfalt im Blick

Pflanze des Monats April 2024

Dillenius-Ehrenpreis Veronica dillenii Crantz

Die dunklen Wintermonate sind endlich vorbei und mit der wärmenden Sonne erscheint auch die Vielfalt der Frühjahrsblüher. Die ist größer als viele vermuten. Denn neben bekannten Geophyten wie Krokus und Schneeglöckchen, die den Winter als Zwiebel im Boden überdauern, zaubern vor allem die einjährigen Frühjahrsblüher erste Farbtupfer in die Landschaft. Ein eher unscheinbarer Vertreter ist der Dillenius-Ehrenpreis (Veronica dillenii), der seinen ungewöhnlichen Namen nach dem Botaniker Johann Jacob Dillen (1687-1747) erhalten hat.

Er protzt zwar nicht mit auffälligen Blüten, doch ist er erstaunlich zäh. Wie viele der einjährigen Frühblüher keimt er schon im Herbst und überdauert den Winter als Jungpflanze. Sobald es im Frühjahr wärmer wird, fängt die kleine Pflanze an zu wachsen und zeigt von April bis Mai ihre tiefblauen Blüten. Schon im Sommer ist ihr Lebenszyklus abgeschlossen. Die nächste Generation ruht als Samen im Boden, bis der Herbst wieder gute Bedingungen für ihre Keimung bietet.

Klein und fein

Veronica dillenii ist eine von etwa 450 Arten in der formenreichen Gattung Veronica (Ehrenpreis). Die Gattung ist weltweit verbreitet und ihre Vertreter haben sich an eine Vielzahl von Lebensräumen von den Tropen bis zur Arktis und von Sümpfen bis in die Steppe angepasst. Inzwischen sind viele Ehrenpreis-Arten auch in Baumärkten und Gärtnereien zu finden. In der Berliner Natur kommen jedoch nur 24 Arten vor, was die Bestimmung für Pflanzenfreund*innen doch ziemlich erleichtert.

Der Dillenius-Ehrenpreis wird nur etwa fünf bis 30 cm groß und ist drüsig behaart. Die unteren Blätter sind tief eingeschnitten und erscheinen so fünf- bis siebenteilig. Schon ab der halben Pflanzenhöhe zeigen sich die ersten blauen Blüten, die in den Achseln von schmalen, dreiteiligen Blättern stehen. Die kleinen, im Durchmesser etwa 5 mm großen Blüten sind meistens selbstbestäubt, doch wurden auch schon Wildbienen und Schwebfliegen als Blütenbesucher beobachtet. Um die Art sicher von dem nah verwandten Frühlings-Ehrenpreis (Veronica verna) zu unterscheiden, ist ein Blick auf die Früchte nötig. Die nierenförmige Kapsel trägt in einer Bucht den Griffel, der beim Dillenius-Ehrenpreis mit bis zu 1,5 mm Länge zwar kurz, aber mehr als doppelt so lang wie beim Frühlings-Ehrenpreis ist.


Zuhause in der märkischen Streusandbüchse

Der kurze Lebenszyklus, die geringe Größe der Pflanze und häufige Selbstbestäubung sind Anpassungen an extreme Lebensräume, in denen die Vegetationsperiode oft schon im Frühsommer endet. Veronica dillenii wächst auf sonnigen, extrem nährstoffarmen und trockenen Standorten. Das können lückige Sandtrockenrasen, Sandheiden, Dünen oder auch Steppen sein. Diese Lebensräume finden sich noch vergleichsweise häufig in seinem geschlossenen Verbreitungsgebiet, das von Brandenburg und Sachsen-Anhalt im Westen über Osteuropa bis zur Wolga im Osten reicht. Im Norden ist es durch die polnische Ostseeküste begrenzt und im Süden reicht es bis zur Schwarzmeerküste und das nördliche Griechenland. Die Art kommt aber auch auf kalkarmen, sonnigen Felsfluren vor. Besonders ihre westlichen Vorposten, die sich vereinzelt in den Mittelgebirgen an Rhein und Donau sowie in den westlichen Alpen befinden, stellen solche Standorte dar.

Wachstum mit wenig Nährstoffen

Trotz vieler Anpassungen an trockene und heiße Sommer ist der Dillenius-Ehrenpreis kein Klimawandelgewinner. Dies liegt vor allem an seiner Vorliebe für nährstoffarme Standorte, die durch ein Überangebot an Stickstoff aus Verkehr und Landwirtschaft immer seltener werden. In Deutschland gilt die Art als gefährdet, während sie in Berlin sogar vom Aussterben bedroht ist. Ursprünglich war sie häufig in offenen, sandigen Bereichen anzutreffen, beispielsweise im Grunewald, am Teltowkanal, an der Havel oder in Köpenick. Einige wenige Standorte konnten sich bis heute erhalten, allerdings ist die Art seit Jahrzehnten überall im Rückgang. Ihr Lebensraum ist durch Verbuschung und die Ausbreitung von Neophyten wie der Robinie und der Späten Traubenkirsche in ehemals nährstoffarme Bereiche bedroht. Um diese seltenen Lebensräumen mit ihrer besonderen Flora zu erhalten, sind gelegentliche Gehölzentfernungen oder auch eine Beweidung durch Schafe nötig. Um ihre Artenvielfalt langfristig zu sichern, ist es wichtig, die enormen Stickstoffeinträge durch Verkehr und Landwirtschaft erheblich zu verringern.

Wenn Sie in den Wäldern Berlins unterwegs sind, finden Sie vielleicht offene Sandflächen, die scheinbar „nur“ von Flechten und Silbergras oder anderen Trockenrasenarten bewachsen sind. Genau solche Lebensräume werden vom Dillenius-Ehrenpreis und anderen unscheinbaren und seltenen Arten bevorzugt.  Betreten Sie diese Bereiche am besten gar nicht oder nur vorsichtig. Wenn Sie unseren kleinen Frühlingsboten dort finden, freuen wir uns sehr über eine Fundmeldung per E-Mail mit Fotobeleg. Vielen Dank!

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