Pflanze des Monats Dezember 2021
Braunstieliger Streifenfarn Asplenium trichomanes
Der Braunstielige Streifenfarn ist ein echtes Stadtkind. Sein Lebensraum sind historische Bauwerke und alte Mauerfugen. Daher ist er vor allem in der über die Jahrhunderte gewachsenen Berliner Innenstadt zu finden. Und das macht ihn besonders, denn viele unserer in Berlin seltenen und gefährdeten Wildpflanzen sind auf zusammenhängende Wald-, Wiesen- und Schutzgebietsstrukturen angewiesen, die vermehrt in den Außenbezirken der Stadt vorkommen.
Selbst im Winter kann man mit etwas Glück diesen kleinen immergrünen Mauerfarn bei einem Spaziergang entlang der Spree an den Ufermauern erspähen. Scheinbar der Schwerkraft trotzend wurzelt er in den schmalen Fugen an senkrechten Wänden. Ursprünglich sind der Braunstielige Streifenfarn und weitere Bewohner der Mauerritzen eher in Gebirgen und in Berglagen bis auf 2.200 m beheimatet und auf Gestein und Felsen angewiesen. Im ländlichen Tiefland besiedelt die Art gelegentlich auch steinige Waldhänge, Hohlwege und Baumwurzeln. Die Hauptvorkommen im flachen Terrain liegen aber in Städten und Dörfern – mit einem Schwerpunkt in Berlin.
Der nur 2 cm bis 30 cm große Braunstielige Streifenfarn ist besonders gut an seinen rot- bis schwarzbraunen Blattstielen von anderen Mauerfarnen zu unterscheiden. Die zarten Fiedern des Blattwedels sind nur kurz gestielt und eiförmig bis rundlich. Ab Juli sind auf der Unterseite der Fiedern die zahlreichen Sporenbehälter zu erkennen, die zu 4–6 streifenförmigen Gruppen, den sogenannten Sori, angeordnet sind. Diese Kapseln sind von einem schützenden Schleier umgeben, dem Indusium, bis die winzigen Sporen reif sind und letztlich an die Luft freigegeben werden.
Und diese Art der Ausbreitung ist besonders vielversprechend. Denn der Braunstielige Streifenfarn ist mit verschiedenen Unterarten sowohl auf der Nordhalbkugel als auch auf der Südhalbkugel zu finden. In den ozeanischen bis subozeanischen Bereichen der mediterranen bis gemäßigten Vegetationszonen erstreckt sich sein Areal sogar rund um den Erdball: In Nordamerika und Europa weist er große zusammenhängende Verbreitungsgebiete auf, in Nordafrika und Asien kleinere Gebiete. Auf der Südhalbkugel ist er in Südaustralien, in Neuseeland, auf einzelnen Pazifik-Inseln und in einzelnen Gebirgen Südafrikas heimisch.
Sein größtes zusammenhängendes Verbreitungsgebiet zeigt sich in Europa, das sich vom Mittelmeergebiet bis nach Südskandinavien erstreckt und im Osten bis zum Baltikum, Ostpolen, zur Ukraine und zum Balkan reicht. In Deutschland kommt der Braunstielige Streifenfarn vor allem in den Mittelgebirgsregionen vor, im Flachland ist er zerstreut auf Sonderstandorten, z.B. in Siedlungen, anzutreffen.
Alte Bauwerke, die mit Natur- und Ziegelsteinen gebaut wurden, bieten ein Miniatur-Abbild seines natürlichen Lebensraums. Das Alter des Gesteins und der Mörtel in den Fugen sind hierbei von entscheidender Bedeutung für den kleinen Streifenfarn. Optimale Ausgangsbedingungen mit unverfugten Stellen entstehen aufgrund der sehr langsamen Verwitterung des Mörtels erst nach Jahrzehnten oder sogar Jahrhunderten. Bei frischen bis leicht sickerfeuchten und schattig bis halbschattigen Verhältnissen fühlt sich dann auch der Braunstielige Streifenfarn bei uns in Berlin wohl.
Doch auch er leidet unter dem Stadtwandel. Denn neue Baustoffe wie Beton und der heutzutage verwendete Mörtel verwittern nur sehr langsam und sind somit lange Zeit ungeeignet für die Besiedlung durch die meisten Mauerfarnarten. Mittlerweile sind die Bestände des Braunstieligen Streifenfarns in Berlin und Brandenburg stark gefährdet. Gebäudesanierungen, bei denen die Fugen gesäubert, erneuert und radikal vom Pflanzenbewuchs befreit werden, stellen für seine wenigen verbliebenen Vorkommen eine große Gefahr dar. Durch verträgliche Sanierungsmaßnahmen können die Mauerfarne verschont werden, denn für gewöhnlich werden die Fugen von Mauern und Gebäuden durch die zarten Gewächse nicht beschädigt.
Noch dramatischer wirkt sich der Abriss alter Mauern und Gebäude aus, wodurch die Vorkommen sämtlicher gefährdeter Mauerbesiedler, darunter zum Beispiel der sommergrüne Zerbrechliche Blasenfarn, vernichtet werden. In diesen Fällen bleibt nur noch die Rettung einzelner Pflanzen samt Mauerstück und deren Umsiedlung an einen sicheren Ort, zum Beispiel an Schaumauern oder in öffentliche Gartenanlagen. Neu geschaffene Habitate werden von dem Mauerfarn hingegen nur sehr langsam besiedelt. Daher ist es umso wichtiger die bestehenden Vorkommen zu schützen und zu erhalten.
Sollten Sie auf Ihren Spaziergängen entlang von historischen Bauwerken, an alten Friedhofsmauern oder entlang des Spreeufers den Braunstieligen Streifenfarn finden, freuen wir uns sehr über eine Fundmeldung per E-Mail mit Fotobeleg. Vielen Dank!
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