Die Vielfalt im Blick

Pflanze des Monats April 2018

Bleiche Hainsimse Luzula pallescens auct. non Sw.

Endlich Frühling! Während sich die meisten Vertreter des Pflanzenreichs mit prächtigen Farben und ätherischen Düften gegenseitig überbieten, bleibt die bleiche Hainsimse bescheiden. Doch ein genauer Blick auf die unscheinbare Pflanze lohnt sich, denn sie hat eine bemerkenswerte Verbreitungsstrategie entwickelt: Ein nährstoff- und fettreiches Anhängsel an ihren Samen lockt Ameisen an. Diese schleppen das ganze Paket in ihre Nester und verzehren dort, quasi als Belohnung für den Transport, die schmackhaften Anhängsel. Zurück bleiben die eigentlichen Samen. Diese werden wieder aus dem Nest getragen, sodass sie im lockeren Substrat rings umher keimen können. Ihren Namen hat die Bleiche Hainsimse von den vergleichsweise hellen Blütenblättern, die ein wichtiges Unterscheidungsmerkmal zum nah verwandten und weitaus häufigeren Hasenbrot, der Gewöhnlichen Hainsimse, darstellen. Ihre nur wenige Millimeter großen, gelbgrünen bis hellbraunen Blüten trägt die Bleiche Hainsimse zwischen April und Mai. Die Blüten des Hasenbrotes sind zwar von gleicher Größe, jedoch weitaus dunkler. Dennoch sind Verwechslungen möglich.

Vielleicht liegt es an dieser Kombination von Unscheinbarkeit und Verwechslungspotential, dass die Bleiche Hainsimse in Berlin und Brandenburg bisher so selten nachgewiesen wurde. Bekannt ist, dass die nordische Art vornehmlich in Nord- und Osteuropa sowie in Teilen Russlands verbreitet ist. In Ostdeutschland erreicht die Bleiche Hainsimse ihre westliche Verbreitungsgrenze. In Deutschland kommt sie daher fast ausschließlich in den neuen Bundesländern vor. Leider sind seit den 1950ern mehr als die Hälfte aller Vorkommen verschollen und auch in Berlin sind sie aktuell nur noch in Neukölln und Köpenick zu finden. Ein Blick auf die Beschaffenheit dieser beiden Fundorte bringt eine bemerkenswerte Fähigkeit der Bleichen Hainsimse zum Vorschein. Das Köpenicker Vorkommen befindet sich in halbschattigen Übergangsbereichen von frischen Säumen zu nassen Wiesenbrachen und Verbuschungsstadien. Ganz ähnlich siedelt die Neuköllner Population in einer Frischwiese im Bereich eines Feldpfuhls. Beide Standorte zeichnen sich durch stark wechselnde Bodenfeuchte aus – eine Herausforderung, die die Bleiche Hainsimse problemlos meistert. Nährstoffreiche Böden hingegen mag sie nicht. Diese fördern nämlich schnellwüchsige Pflanzen, die der Hainsimse Raum und Licht nehmen. 

Beide Berliner Bestände bestehen nur aus wenigen Exemplaren und sind deshalb bedroht. Denn zum einen führt die einsetzende Sukzession in ungenutzten Wiesen dazu, dass sich immer mehr Sträucher und Gehölze ansiedeln. Sie beschatten dann die Flächen und reichern sie peu à peu mit immer mehr Nährstoffen an. Menschlich verursachte Luftverschmutzung und landwirtschaftliche Düngung führen ebenfalls zu kontinuierlichen Nährstoffeinträgen und begünstigen so die Ausbreitung nährstoffliebender Arten. Schnell- und starkwüchsige Pflanzen können sich durchsetzen und konkurrenzschwache Arten wie die Bleiche Hainsimse in große Bedrängnis bringen. Abhilfe verschaffen hier nur Pflegemaßnahmen, im besten Falle eine Nutzung der Flächen mit Beweidung oder Mahd. Durch Schnitt und Verbiss werden aufwachsende Gräser und Gehölze klein gehalten und die Anreicherung von Nährstoffen verhindert. Im Falle der Bleichen Hainsimse, und ihren lediglich zwei Vorkommen in ganz Berlin, sollten jedoch auch populationsstützende Maßnahmen angedacht werden. Aus Samen der Berliner Bestände können Jungpflanzen herangezogen und an den bisherigen oder weiteren Standorten ausgebracht werden, sodass die Existenzgrundlage der Art verbessert wird. 

Haben Sie Lust, mit anzupacken? Mehrmals im Jahr werden ehrenamtliche Pflegeeinsätze an Standorten bedrohter Pflanzenarten durchgeführt. Schreiben Sie uns eine E-Mail, dann laden wir Sie gerne zum Mitmachen ein!

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