Pflanze des Monats Januar 2020
Ästiger Rautenfarn Botrychium matricariifolium
Zu vielen guten Vorsätzen gehört das Credo „Simplify your Life“. Der Ästige Rautenfarn ist bereits ein alter Hase in Sachen Minimalismus. Mit nur einem Wedel und 10-20 Zentimetern Größe beschränkt sich der Farn auf das Wesentliche. An einem fleischigen Stängel sitzen sowohl ein Abschnitt, der Chlorophyll produziert, als auch ein sporentragender, der zur Fortpflanzung dient.
Als eine der ältesten Pflanzengruppen der Welt verzichten Farne auf entwicklungsgeschichtliche Errungenschaften wie Samen und Blütenstände. Stattdessen nutzen sie für ihre Ausbreitung das etwas altbackene Sporensystem, das einen Wechsel von geschlechtlichen und ungeschlechtlichen Generationen mit sich bringt. Die ungeschlechtliche Generation ist die sporentragende Pflanze. Keimen die Sporen, entsteht die geschlechtliche Generation in Form eines sogenannten Gametophyten. Das ist ein kleiner Vorkeim, der bei dieser Art ein bis mehrere Jahre unter der Erde lebt. Er entwickelt Samen- und Eizellen, die nach ihrer Verschmelzung den Keimling des Sporophyten, der allgemein bekannten Erscheinungsform der Sporenpflanze, hervorbringen. Dieser Ablauf ist bis heute nicht in allen Einzelheiten erforscht. So kann nur vermutet werden, dass der Ästige Rautenfarn während jeder seiner Entwicklungsstadien auf einen bestimmten Pilz angewiesen ist, mit dem er in Symbiose lebt. Kaum verwunderlich, dass die Kultivierung der Rarität schwierig ist.
Abgesehen von dem Pilz benötigt die auch als Ästige Mondraute bekannte Pflanze halblichte, trockene Standorte mit wenig Nährstoffen. Da sie kleinwüchsig und wenig konkurrenzstark ist, bevorzugt sie Stellen mit einer lückigen Vegetationsdecke. Geeignet sind z.B. Wegränder, schwach basenreiche bis schwach säurereiche, lichte Waldstandorte und lückig bewachsene Ruderalstellen wie Sandgruben. Außerdem hat das kalkmeidende Gewächs eine Vorliebe für mäßig trockene Sand- und Silikatmagerrasen.
Die Art kommt im mittleren und östlichen Nordamerika, Mittel-, Nordeuropa und westlichen Russland vor. In Deutschland ist der Ästige Rautenfarn schon immer sehr selten, da nur die Ostseeküste im europäischen Hauptareal der Art liegt. Wie ¾ der Vorkommen in Deutschland sind auch die Küstenbestände in den letzten 70 Jahren verschwunden. Aktuell existieren Einzelvorkommen vorrangig in Südbrandenburg und Nordsachsen.
Eine der Hauptursachen dafür liegt in der Aufgabe historischer Wald- und Landnutzungsformen. Bleibt die Nutzung aus, wachsen einst nährstoffarme Wälder und Magerrasen zu. Die folgende Nährstoffakkumulation und Ausdunkelung der Flächen fördern konkurrenzstarke Pflanzenarten, die eine dichte Vegetationsdecke ausbilden. Licht- und wärmeliebende, kleinwüchsige und wenig konkurrenzstarke Arten wie der Ästige Rautenfarn werden verdrängt. Verstärkt wird der Prozess durch Nährstoffeinträge aus verschmutzter Luft sowie Ammoniak und Düngemittel aus Tierhaltung und Landwirtschaft.
Maßnahmen zum Erhalt der lichtliebenden Art bestehen in der Pflege und Förderung von Säumen und Waldrändern mittels Entbuschung und Auslichtung. Zum Schutz gefährdeter Vorkommen sollten expansive Pflanzenbestände (wie z.B. die Spätblühende Traubenkirsche) zurückgedrängt werden. Zuständige Förster sollten über die Fundorte informiert werden, damit sie die Bestände vor forstwirtschaftlichen Arbeiten wie Überfahrten und Holzlagern schützen können. Hilfreich ist auch das Ausharken der Streu- oder Moosschicht im Frühjahr, um Jungpflanzen die Etablierung zu erleichtern.
Sollten Sie auf Ihren Spaziergängen eine dieser seltenen Pflanzen finden, freuen wir uns sehr über eine Fundmeldung per E-Mail mit Fotobeleg. Vielen Dank!