Pflanze des Monats März 2022
Wiesen-Habichtskraut Hieracium caespitosum
Habichtskräuter. Eine Pflanzengattung, die in dem Ruf steht, nur von Spezialisten sicher erkannt und bestimmt zu werden. Nicht unbedingt! Denn lassen sich botanisch Interessierte erst mal auf diese Gattung ein, dauert es nicht lange, bis sie einige interessante, sehr seltene Arten erkennen. Eine dieser seltenen und in Berlin vom Aussterben bedrohten Arten ist das Wiesen-Habichtskraut.
Ursprünglich kommt die Art vor allem in nährstoffarmen, frischen bis wechselfeuchten Wiesen und Halbtrockenrasen vor. Doch das Wiesen-Habichtskraut hat es geschafft, seinen Lebensraum auf von Menschen geschaffene Standorte zu erweitern. Es hält sich dabei an Verkehrswege wie Bahnstrecken und Straßen und konnte sich dadurch in der Fläche ausbreiten. Insbesondere im städtischen Raum werden auch Ruderalstellen und Brachen gern vom Wiesen-Habichtskraut besiedelt. Auf diesen für die Artenvielfalt bedeutenden Sekundärstandorten kann es im günstigen Fall ein reichhaltiges Blütenangebot entfalten.
Wiesen-Habichtskraut in Deutschland bedroht
Das geschlossene Areal der subkontinentalen Art erstreckt sich von Mitteleuropa und nördlichen Teilen Südosteuropas über Osteuropa bis nach Westsibirien. Als Neophyt konnte sich das Wiesen-Habichtskraut in Teilen West- und Nordeuropas, aber auch in Nordamerika und Neuseeland etablieren. Deutschland gehört zum Hauptareal der Art. Hier kommt die Wildpflanze aus der Familie der Korbblütler aber nur zerstreut bis selten mit Schwerpunkten in Mittelgebirgen wie Harz und Erzgebirge sowie im Alpenvorland vor. Im norddeutschen Tiefland ist die Art eher selten. Deutschlandweit ist ein Rückgang der Art zu verzeichnen, in Berlin ist sie sogar vom Aussterben bedroht. Gründe dafür sind hier vor allem die Bebauung und Zerstörung kleinräumiger Sonderstandorte, die wichtige Refugien für die Art darstellen.
Merkmale des Wiesen-Habichtskrauts
Ihren Namen verdanken die Habichtskräuter im Übrigen dem Volksglauben, dass Habichte ihren Pflanzensaft trinken, um schärfer sehen zu können. Obwohl sich das als Irrglaube herausstellte, ist dennoch ein geschärfter Blick erforderlich, um das Wiesen-Habichtskraut im zeitigen Frühjahr zu entdecken. Dann sind zunächst nur die beidseits behaarten Grundblätter der Art vorhanden. Mit einer Lupe werden die charakteristischen Sternhaare auf der Blattunterseite sichtbar, die ein wichtiges Merkmal zur zweifelsfreien Bestimmung darstellen. Am besten kann man die Art zur Blütezeit zwischen Mai und August erkennen. Dann stehen die Blütenköpfchen mit den gelben Zungenblüten in gedrängten Rispen und lassen karge Flächen ein wenig farbenfroher wirken. Die Gattung der Habichtskräuter ist mit mehr als 1.000 Arten besonders formenreich.
Wenn es um die Vermehrung geht, sind Habichtskräuter besonders unabhängig aufgestellt. Obwohl das Wiesen-Habichtskraut mit seinen Blüten auch tierische Besucher anlockt, ist es nicht zwangsläufig auf sie angewiesen. Denn, wie weitere Arten dieser Pflanzengattung besitzt auch das Wiesen-Habichtskraut die außergewöhnliche Fähigkeit Samen ohne Befruchtung zu bilden – in der Pflanzenwelt auch Apomixis genannt. Obendrein verbreitet sich die Art auch erfolgreich über unterirdische, wurzelnde Ausläufer.
Rettung in letzter Sekunde
Wenn Vorkommen des Wiesen-Habichtskraut akut von der Vernichtung bedroht sind, bleibt oft nur noch die Rettung der Pflanzen durch Umsiedlung an einen sicheren Ort oder die Aufnahme in die Erhaltungskultur in einem botanischen Garten. 2014 gelang in Schöneberg so eine Rettungsaktion von mehreren in Berlin vom Aussterben bedrohten Habichtskrautarten. Diese wurden von einer Baufläche auf einen benachbarten Friedhof umgesiedelt. Aber auch nach dem Umzug bleiben die Habichtskräuter schutzbedürftig. In Kooperation mit den örtlichen Behörden, der Friedhofsverwaltung und den Stadtnatur-Ranger*innen wurde die Grünflächenpflege auf den Ansiedlungsflächen speziell an die Blüte- und Fruchtzeit der seltenen Pflanzen angepasst. So können sie wieder Wuchshöhen bis zu 60 cm erreichen und die wertvollen Pflanzenbestände können sich langsam wieder entwickeln.
Sollten Sie auf Ihren Spaziergängen eine solche Pflanze finden, freuen wir uns sehr über eine Fundmeldung per E-Mail mit Fotobeleg. Vielen Dank!
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