Die Vielfalt im Blick

Pflanze des Monats Mai 2024

Schlangenwurz Calla palustris L.

Manche Pflanzen sind ein echter Blickfang – erst recht, wenn sie aus ihrer Umgebung herausstechen. Das mögen sich auch die Namensgeber unserer Pflanze des Monats gedacht haben, denn Calla palustris bedeutet wörtlich übersetzt „Sumpf-Schönheit“. Auch ihre zahlreichen deutschen Namen bezeugen die Auffälligkeit dieser Pflanze. Bekannt ist sie als Schweinsohr aufgrund ihrer Blattform, ebenso als Drachen- oder Schlangenwurz. Diese Namen gehen auf die schlangenähnliche Form ihrer Rhizome zurück. Entsprechend der mittelalterlichen Signaturenlehre, welche vom Aussehen als göttlichen Hinweis auf die medizinische Anwendung schloss, wurde die Schlangenwurz als Mittel gegen Schlangenbisse und Nasenpolypen verwendet. Wie erfolgreich diese Anwendung war, ist nicht mehr bekannt, allerdings wirkt die in allen Teilen giftige Pflanze stark ätzend auf die Schleimhäute.

Wenn nur der Geruch nicht wäre!

Die Schlangenwurz gehört zur Familie der Aronstabgewächse (Araceae) und ist die einzige Art innerhalb der Gattung Calla. Der Gattungsname scheint aber so schön zu sein, das auch Zierpflanzen aus der afrikanischen Gattung Zantedeschia irrtümlich unter diesem Namen vertrieben werden. Die einheimische Calla palustris ist eine mehrjährige Sumpfpflanze, die lange, meist unterirdisch wachsende Sprosse bildet. Aus diesen Rhizomen zweigen regelmäßig kurze, aufrechte Sprosse ab, die die lang gestielten und breit herzförmigen Blätter tragen. Diese sind ledrig derb und werden mit ihrer aufgesetzten Blattspitze im Durchmesser bis zu 12 cm groß. Von Mai bis Juli bilden die Sprosse einen einzelnen Blütenstand, manchmal kommt es noch zu einer zweiten Blüte von August bis September. Der Blütenstand wird botanisch als Spadix oder Kolben bezeichnet und trägt dichtgedrängt zahlreiche kleine Blüten. Diese bestehen aus einem grünlichen Fruchtknoten und sechs Staubblättern. Sonst sind sie nackt, besitzen also keine Kronblätter. Dafür befindet sich unterhalb des Kolbens ein weißes Hochblatt, die Spatha. Lange wurde über die Bestäubung von Calla palustris diskutiert, nachdem häufig Schnecken an den Blütenkolben beobachtet wurden. Ob diese als Bestäuber fungieren, ist nicht eindeutig geklärt, gesichert ist jedoch die für Aronstabgewächse typische Bestäubung durch Fliegen und kleine Käfer, welche durch den eher unangenehmen Geruch der Blüten angelockt werden. Von August bis September werden die roten, für Menschen und Nutztiere ebenfalls giftigen Beeren gebildet. Die rote Färbung macht sie attraktiv für Vögel, zusätzlich haften die schwimmfähigen und klebrigen Samen am Gefieder von Wasservögeln und werden so ausgebreitet. Für einige Insekten ist die Pflanze auch attraktiv als Brutplatz, so legen Schwimmkäfer der Gattung Ilybius in den Wurzeln von Calla palustris ihre Eier ab.

Die Schlangenwurz braucht nasse Füße…

Als echte Sumpfbewohnerin wächst die Schlangenwurz in dauerhaft nassen Lebensräumen. Dort bevorzugt sie halbschattige Standorte, die nur mäßig nährstoffreiche und leicht saure Böden aufweisen. So kommt sie häufig in Erlenbrüchen und den Randsümpfen von Kesselmooren vor. Von dort aus kann sie auch die Schwingrasen und Schlenken der Moore besiedeln, wo sie dann zusammen mit Torfmoosen wächst. Auch an den Rändern nährstoffarmer Teiche und in Röhrichten ist sie manchmal zu finden. 

Solche Standorte finden sich auf der gesamten Nordhalbkugel und Calla palustris hat über die Ausbreitung durch Wasservögel viele von ihnen besiedelt. So erstreckt sich ihr Verbreitungsgebiet über die gemäßigten und borealen Klimazonen Europas, Asiens und Nordamerikas. In Europa hat sie ihren Verbreitungsschwerpunkt nördlich der Alpen in Mittel-, Nord- und Osteuropa, wobei sie vom östlichen Frankreich über Skandinavien bis zum Ural und darüber hinaus vorkommt. Südlich reicht sie bis in die Karpaten, westlich davon fehlt die Art. Auf den Britischen Inseln wurde sie eingeführt und gilt als Neophyt.

…doch ihr Lebensraum trocknet aus

So groß das Verbreitungsgebiet der Schlangenwurz auch ist, so sehr ist ihr Lebensraum, besonders in Mitteleuropa, bedroht. Viele Sümpfe und Moore wurden entwässert oder durch Torfabbau zerstört, hinzu kommt die starke Belastung durch Nährstoffe aus Landwirtschaft und Verkehr. Seit den 1950er Jahren sind viele Vorkommen in West- und Süddeutschland verloren, nur in der Osthälfte Brandenburgs und Sachsens war die Art noch relativ häufig. Doch auch dort ist seit einigen Jahrzehnten ein Rückgang zu verzeichnen. Inzwischen gilt die Schlangenwurz deutschlandweit als gefährdet und steht unter besonderem Schutz. In Berlin ist die Art selten und stark gefährdet. Im 19. Jahrhundert war sie noch in der Jungfernheide oder am Grunewaldsee zu finden. Heute kommt sie nur noch an wenigen Standorten in Spandau, Pankow, Reinickendorf und Zehlendorf vor, am häufigsten ist die Art noch in den Erlenbrüchen und Mooren am Rande Köpenicks anzutreffen.

Die noch bestehenden Standorte in Berlin, die viele weitere seltene Arten beherbergen, sind durch Grundwasserabsenkungen gefährdet. Diese Problematik wird sich in naher Zukunft zuspitzen, wenn das Grubenwasser aus den Tagebauen der Lausitz nicht mehr in die Spree gepumpt wird. Hier wie auch in anderen Mooren und Sümpfen Berlins sind Maßnahmen zur dauerhaften Stabilisierung der Wasserstände dringend erforderlich, um das Verschwinden dieser ungewöhnlichen Pflanze zu verhindern.

Sollten Sie auf ihren Spaziergängen in den Berliner Mooren und Sümpfen eine Schönheit entdecken, die unserer Pflanze des Monats ähnlich sieht, dann freuen wir uns sehr über eine Fundmeldung per E-Mail mit Fotobeleg. Vielen Dank!

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