Die Vielfalt im Blick

Pflanze des Monats Januar 2016

Sand-Binse Juncus tenageia Ehrh.

Sie ist ziemlich unscheinbar, doch ihr Wiederfund 2013 in Berlin war eine kleine Sensation. Die Sand-Binse galt in der Hauptstadt als ausgestorben und wurde hier zuletzt vor 37 Jahren gesehen. Dass sie jetzt wieder zur Berlinerin wurde, verdanken wir einer wegweisenden Naturschutzmaßnahme im Landschaftspark Rudow-Altglienicke. Im 19. Jahrhundert war die Sand-Binse in Berlin vor allem in Wiesen- und Ackersenken sowie an eiszeitlichen Pfuhlen im Süden der Stadt anzutreffen. Hier konnte sie bis 1976 nachgewiesen werden. Doch schon lange vorher begann das langsame Aussterben. Jeder Teich, der zugeschüttet wurde, war ein Lebensraum weniger. Hinzu kam, dass durch die Unterschutzstellung von Pfuhlen auch deren traditionelle Nutzung, wie gelegentliches Pflügen in Trockenperioden, endete. In der Folge wuchsen die Pfuhle mit konkurrenzstarken Röhrichten, Wiesengesellschaften und Gehölzen zu. Die Sand-Binse und weitere seltene Arten hatten keine Chance mehr. Im Rahmen des Baus der Autobahn 113 ergab sich die Gelegenheit, die Sand-Binse mit Hilfe einer kreativen Naturschutzmaßnahme wieder in Berlin anzusiedeln. Von 2006 bis 2009 entstand als Ausgleichsmaßnahme auf Acker- und Brachflächen in Rudow und Treptow der Landschaftspark Rudow-Altglienicke. Hierbei wurden der zugeschüttete Massantepfuhl teilweise freigelegt und sechs weitere flache Kleingewässer geschaffen. An den Gewässerrändern wurde zudem Substrat aus dem Juncus-Pfuhl in Mariendorf, dem letzten Fundort der Sand-Binse, ausgebracht. Dann hieß es warten. Es wurde nichts angesät, nichts angepflanzt, sondern man überließ der Natur ihr Werk.

Der Erfolg dieser Strategie war beeindruckend: 2013 wurde im Landschaftspark Rudow-Altglienicke nicht nur die Sand-Binse, sondern auch das Kleine Flohkraut, bis dahin ebenfalls seit langem ausgestorben, entdeckt. Die Reaktivierung dieser Arten aus Samen, die über 30 Jahre im Boden schlummerten, zeigt, dass durch das Freilegen von Ufern und Böden von Kleingewässern und die Übertragung von Bodensubstrat auch an vielen anderen Stellen in Berlin Arten der Zwergbinsen-Gesellschaften etabliert werden könnten.

Nun ist die Sand-Binse also wieder da. Schauen wir sie uns doch einmal näher an. Es handelt sich um eine einjährige, nur 5 bis 30 cm hohe Pflanze, die an periodisch nassen bis zeitweilig überfluteten Sandstellen, wie z.B. an Gewässerufern, in Ackersenken und an Wegrändern, vorkommt. Die von Juni bis August ausgebildeten Blüten werden durch den Wind bestäubt. Die Samen haften an den Füßen und am Gefieder von Wat- und Wasservögeln und können so über weite Strecken verbreitet werden. Einmal in der Erde verborgen, sind die Samen sehr langlebig und können vermutlich noch nach 75 Jahren keimen, sobald sie durch Bodenstörungen ans Licht gelangen.

Ihren Verbreitungsschwerpunkt hat die Sand-Binse in der mediterran-gemäßigten Zone Europas und erreicht in Norddeutschland die Nordgrenze ihres Areals. Seit Mitte des 20. Jahrhunderts ist die Art in Mitteleuropa stark zurückgegangen, was auf einen tiefgreifenden Nutzungswandel der Landschaft zurückzuführen ist. Intensive Landwirtschaft, Flurbereinigungen, Meliorationen, die Versiegelungen von Böden und die Verstädterung von Dörfern haben dazu geführt, dass offene, periodisch vernässte Bodenstellen eine Rarität geworden sind. Damit wurden der Sand-Binse und vielen weiteren Arten der Zwergbinsen-Gesellschaften (Isoëto-Nanojuncetea) die Lebensgrundlage entzogen. Um den offenen Charakter und die Schlammstellen der seichten Gewässerlandschaft im Landschaftspark Rudow-Altglienicke zu erhalten, weiden hier seit 2014 den Sommer über Wasserbüffel. Im Winterhalbjahr übernehmen Zugvögel die Fernausbreitung der Sand-Binse. Machen Sie sich bei einem Spaziergang im Landschaftspark Rudow-Altglienicke von der „Arbeit“ der tierischen Naturschutzhelfer selbst ein Bild! Ein Ausflug lohnt sich.

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