Pflanze des Monats Februar 2021
Gemeine Natternzunge Ophioglossum vulgatum
Sich nicht auf den ersten Blick zu offenbaren, ist eine der wesentlichen Eigenschaften der Gemeinen Natternzunge. Und so sucht man auch ihre namensgebende Ähnlichkeit mit Schlangen vergeblich – denn ihren Namen verdankt die ungewöhnliche Pflanze ihrer einstigen Verwendung als Mittel gegen Schlangenbisse.
Allein die geringe Größe von 5 cm bis in seltenen Fällen 30 cm erschwert die Suche nach der mehrjährigen Wiesenpflanze. Eine Blütezeit, in der farbige Blüten das Finden erleichtern, besitzt die Farnpflanze nicht. Stattdessen ist sie nur wenige Monate im Jahr überhaupt sichtbar. Denn bereits nach der Reife ihrer Sporen zwischen Juni und Juli beginnt sie den winterlichen Rückzug unter die Erde. In trockenen Jahren oder bei geringem Grundwasserstand verzichten die Bestände des Geophyten mitunter sogar gänzlich auf das oberirdische Treiben und warten im Boden auf bessere Bedingungen.
Auch in den anderen Jahren muss man genau hinschauen, denn die Pflanze verwendet nur die allernötigste Energie für Äußerlichkeiten. Meist treibt sie nur ein einziges Blatt aus. Es besteht aus zwei ganz unterschiedlichen Teilen, die man auf den ersten Blick wohl kaum demselben Blatt zuordnen würde. Der eiförmige, ganzrandige Blattabschnitt dient ausschließlich der Aufnahme von Nährstoffen, z. B. durch Fotosynthese. Der andere Blattteil ähnelt einem Stängel und ragt aufrecht in die Höhe. An seiner Spitze sitzen die Sporangien, in denen die Sporen reifen, bis sie vom Wind verbreitet werden. Zusätzlich vermehrt sich die Gemeine Natternzunge mithilfe ihrer tief liegenden Ausläufer auch im Verborgenen. So können Gruppierungen mitunter aus zahlreichen Klonen einer einzigen Pflanze bestehen, ohne dass dies offensichtlich wäre.
Finden lässt sich die Art in Feuchtwiesen, nassen Magerwiesen, lichten Auenwäldern und vernässten Mulden in Laubwäldern. Die Gemeine Natternzunge bevorzugt nämlich zurückgezogene Standorte, die nährstoffarm, halblicht, kalkhaltig und feucht bis nass oder gar zeitweise überflutet sind. Die Art gilt als urbanophob, was bedeutet, dass sie nur außerhalb menschlicher Siedlungen zu finden ist. So verwundert es nicht, dass sämtliche Berliner Vorkommen im Laufe des 20. Jahrhunderts unter dem wachsenden Druck der Stadt aus den zentralen Bereichen verschwunden sind und die Art bei uns vom Aussterben bedroht ist. Verbleibende Vorkommen befinden sich vornehmlich in den Randgebieten Berlins, überwiegend in Wiesengebieten und Wäldern innerhalb von Schutzgebieten.
Die Gemeine Natternzunge besitzt mehrere Verbreitungsgebiete in Europa, Nordamerika, Asien und Nordafrika. Das geschlossene europäische Areal erstreckt sich von den Pyrenäen über West- und Mitteleuropa bis nach Südskandinavien, östlich bis Russland, in die Karpaten sowie auf den mittleren Balkan. In Deutschland kommt die Art von der Küste bis zum Alpenrand zerstreut vor. Etwas häufiger ist sie im norddeutschen Flachland und stellenweise an den Rändern von Mittelgebirgen. Seit 1950 ist deutschlandweit ein deutlicher Rückgang zu beobachten, der sich seit 1980 vor allem im Norden und Osten Deutschlands fortgesetzt hat.
Als Bewohnerin feuchter, nährstoffarmer Standorte ist die Gemeine Natternzunge vor allem durch Entwässerung, Grundwasserabsenkung sowie Störungen intensiver Nutzung wie Befahren gefährdet. Gleichzeitig sind ihre Offenstandorte wie Feuchtwiesen und Magerrasen auf ein Mindestmaß menschlicher Nutzung oder Pflege angewiesen. Denn ohne eine regelmäßige Mahd wachsen im Rahmen der Sukzession Gehölze, hochwüchsige Gräser oder Stauden auf, die niedrigen Wiesenpflanzen wie der Gemeinen Natternzunge Licht und Wuchsmöglichkeiten nehmen. Eine Beeinträchtigung sämtlicher Standorte besteht durch Nährstoffeinträge aus der Luft (Ammoniak, Stickoxide), die aus Landwirtschaft und Verbrennungsprozessen, z. B. des Verkehrs, stammen. Sie führen zu einer Nährstoffanreicherung der Standorte, so dass konkurrenzstarke Pflanzenarten gefördert werden.
Maßnahmen zum Erhalt der Art zielen auf eine Stabilisierung des Wasserhaushalts sowie die Verhinderung von Sukzession durch Mahd oder Beweidung ab. Auch Gehölzauslichtungen und die Entfernung konkurrenzstarker Neophyten können die Art fördern. An Standorten, an denen die Art erloschen scheint, sollten Pflege und Beobachtung fortgeführt werden, da aufgrund ihrer zeitweise verborgenen Lebensweise Wiederfunde möglich sind.
Falls Sie auf Ihren Spaziergängen eine solche Pflanze trotz aller Zurückgezogenheit finden, freuen wir uns sehr über eine Fundmeldung per E-Mail mit Fotobeleg. Vielen Dank!
Alle Pflanzen des Monats von A - Z