Die Vielfalt im Blick

Pflanze des Monats Januar 2022

Entferntährige Segge Carex distans L.

Die Entferntährige Segge und viele weitere Vertreter der Süß- und Sauergräser fristen weitestgehend ein wenig beachtetes Dasein. Denn auf den ersten Blick übersieht das ungeübte Auge schnell die faszinierende Vielfalt dieser unscheinbaren und schwer voneinander zu unterscheidenden Pflanzenfamilien. Oft werden sie schlichtweg als „Gräser“ wahrgenommen - dabei prägen sie den Großteil unserer heimischen Vegetation! Allein in Berlin sind 66 verschiedene Seggen-Arten aus der Familie der Sauergräser bekannt, von denen aktuell jedoch 20 Arten als verschollen oder ausgestorben gelten. Zu ihnen zählt auch die selten gewordene Entferntährige Segge, die bei uns inzwischen vom Aussterben bedroht ist.

Ihre ausdauernden Horste mit gerade mal 2 - 4 mm schmalen Blättern werden oft nur 20 - 60 cm hoch, sodass die Entferntährige Segge in höherwüchsigen Seggenrieden und Röhrichten nur wenig auffällt. Die unteren Blattscheiden der Segge sind rot bis rotbraun gefärbt und zerfasern kaum. Spätestens ab Juni kann man die Pflanze durch ihren charakteristischen Blütenstand gut von anderen Arten unterscheiden.

Von dem aufrecht wachsenden Halm gehen zwei bis vier einzelne und kurz gestielte, weibliche Ähren ab. Sie stehen weit voneinander entfernt, sodass der Blütenstand der Entferntährigen Segge wie auseinandergezogen wirkt. Darauf ist auch der Artname zurückzuführen. Am oberen Ende des Halms befindet sich meist nur eine bräunliche, männliche Ähre. Durch die erhöhte Position kann der Pollen weit durch den Wind fortgetragen werden und die Chancen für eine erfolgreiche Bestäubung von Artgenossen erhöhen sich.  

Das geschlossene Verbreitungsgebiet der Entferntährigen Segge reicht von Nordafrika über West-, Süd- und Südosteuropa bis Mitteleuropa. Darüber hinaus ist die Art entlang der Küstenlinien der Britischen Inseln, Südskandinaviens und der Türkei anzutreffen. Einzelne Vorposten der Art liegen in der Ukraine und Westrussland sowie in Vorderasien. Als Neophyt tritt die Segge mittlerweile in Nordamerika, Australien und Neuseeland auf.  

In Deutschland ist die Entferntährige Segge regelmäßig entlang der Küsten von Nord- und Ostsee zu finden. Im Binnenland tritt sie sehr zerstreut auf und fehlt in einigen Regionen sogar weitestgehend, z. B. in vielen Mittelgebirgen und im nordwestdeutschen Flachland. In Ostdeutschland liegt ein Verbreitungsschwerpunkt der Art in Mittelbrandenburg und in Berlin.

In den Küstengebieten kommt die Art vorzugsweise an Klippen, felsigen Ufern und in Salzwiesen vor. Im Landesinnern findet man sie hingegen auf extensiv genutzten Feuchtwiesen, in Gräben und in Niedermooren - dann mit Vorliebe auf basischen Böden und in quelligen Bereichen. Auch gestörte Flächen wie verdichtete Fahrspuren oder Fußpfade in Wiesen werden von der immergrünen Segge gelegentlich besiedelt.

Zu schaffen machen der Art vor allem die Nutzungsaufgabe von Feuchtwiesen oder die Intensivierung der Grünlandnutzung sowie Grundwasserabsenkungen, die ihren natürlichen Lebensraum erheblich verändern oder ganz zerstören. Bei zu niedrigen Wasserständen und durch das allmähliche Zuwachsen von hochwüchsigen Stauden und Gehölzen verschwindet die Licht liebende Pflanze schließlich ganz aus dem Lebensraum.

Um die Bestände der Entferntährigen Segge zu fördern, sollten vor allem Maßnahmen zur Stabilisierung des Wasserhaushalts durchgeführt werden. Um die Standorte offen zu halten, kann eine ein- bis zweischürge Mahd oder eine schonende Beweidung mit geringem Tierbesatz erfolgen. Auf diese Weise werden viele weitere selten gewordene Arten von niedrigwüchsigen Feuchtwiesen gefördert.

Sollten Sie die Entferntährige Segge entdecken, freuen wir uns sehr über eine Fundmeldung per E-Mail mit Fotobeleg. Vielen Dank!

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