Ein Streifzug durch Mitte

Laura Damerius und Simone Völker sind seit 2020 als Stadtnatur-Rangerinnen im Berliner Bezirk Mitte im Einsatz. Doch wie sieht ein Arbeitstag im Leben zweier Stadtnatur-Rangerinnen eigentlich aus? Das Team verrät es Ihnen und nimmt Sie auf unserem Blog einen Tag lang mit auf Streifzug durch ihr Revier im Herzen der Stadt.

7:30 Uhr - Guten Morgen Tiergarten!

Es ist 7:30 Uhr und in der warmen Frühlingssonne starten wir unseren Arbeitstag im Großen Tiergarten. Wir, das sind Simone Völker, Landschaftsarchitektin, und Dr. Laura Damerius, Biologin und gemeinsam arbeiten wir als Stadtnatur-Rangerinnen im Bezirk Mitte. In unserem Einsatzgebiet erheben wir zum Beispiel Daten über die heimische Tier- und Pflanzenwelt, begleiten naturschutzfachliche Maßnahmen und führen Bürgergespräche.  

Im großen Tiergarten haben wir uns heute zu früher Stunde getroffen, um die Uferbereiche des Neuen Sees abzugehen und die Bootszufahrten zu überprüfen. Normalerweise schützen Absperrungen die aus Sicht des Naturschutzes wertvollen Bereiche vor dem Befahren. Bei einer früheren Begehung ist uns jedoch aufgefallen, dass sich manche Ruderer in diese Gebiete „verirren“. Einige Bootsnutzer*innen kommen den Bruthöhlen der blauschimmernden Eisvögel viel zu nahe. Eisvögel sind in Deutschland jedoch eine streng geschützte Tierart und dürfen nicht gestört werden.

Während wir die Uferbereiche begehen, gleiten zwei Kanadagänse lautlos übers Wasser. Aus den Baumkronen erklingt das lautstarke Konzert der Singvögel, die seh- und hörbaren Vogelarten tragen wir in den ArtenFinder ein. Der ArtenFinder ist eine digitale Plattform der Stiftung Naturschutz Berlin, die der Erfassung von Pflanzen- und Tierarten dient und alle Einträge in einer Datenbank sammelt. Das Kartieren von aktuell vorkommenden Tier- und Pflanzenarten ist eine wichtige Voraussetzung für den nachhaltigen Naturschutz und eine unserer vielen Aufgaben als Stadtnatur-Rangerinnen. Wir hören an diesem Morgen: Singdrossel, Amsel, Mönchsgrasmücke, Blaumeise, Rotkehlchen, Zaunkönig.

Der Neue See ist verzweigt und tatsächlich entdecken wir vor einem Seitenarm eine fehlende Absperrung. Es ist offensichtlich, dass hier die Boote ungehindert in die empfindlichen Bereiche vordringen können. Wir markieren die Stelle auf einer Karte in unserem Tablet und leiten diese Information direkt an die entsprechenden Mitarbeiter des Grünflächenamtes weiter. Die Vernetzung mit den jeweiligen zuständigen Behörden ist ein sehr wichtiger Baustein unserer Arbeit. Insbesondere mit dem Umwelt- und Naturschutzamt Mitte sind wir regelmäßig in Kontakt und sprechen wichtige Inhalte und Aufgaben ab.

10:10 Uhr – Mit dem Fahrrad weiter zur Panke

Nachdem wir uns mit Tee und Keksen gestärkt haben, fahren wir mit unseren Dienstfahrrädern weiter Richtung Nordhafen. Hier mündet die Panke in den ehemaligen Binnenhafen. Aktuell sind wir dabei, eine Stadtnatur-Karte für die Ortsteile Wedding und Gesundbrunnen zu erstellen, in der besondere „Natur“-Orte markiert sind. Der Bereich der Panke ist solch ein Ort, denn hier gibt es mehrere Abschnitte mit wild wucherndem Bewuchs und auch naturbelassene Uferbereiche. Seltene Vogelarten wie die Wasseramsel oder die Gebirgsstelze haben wir hier schon entdeckt.

Während wir die Panke entlang radeln, fallen uns drei mächtige, exotisch aussehende Bäume auf. Es sind Japanische Schnurbäume mit dicken Stamm und beeindruckender Krone. Wir schätzen die Bäume auf circa 120 Jahre. Besonders ältere Bäume bieten Unterschlupf und Nahrung für viele Tiere, Pflanzen, Pilze und Flechten. Sie sind wirklich eine Besonderheit, denn wegen der zerstörerischen Auswirkungen des Zweiten Weltkrieges kommen solch alte Bäume leider nur sehr vereinzelt vor. Wir freuen uns über den Fund, markieren den Standort und tragen die Daten in unseren Entwurf der Stadtnatur-Karte ein. Auf einer sonnigen Bank ruhen wir uns aus. Es ist Zeit für eine Mittagspause.

13:30 Uhr – Wildtierkamera in den Rehbergen

Von der Panke aus fahren wir weiter zum Volkspark Rehberge. Vor ein paar Tagen haben wir hier, an den Ufern eines der Gewässer, Wildtierkameras aufgestellt. Diese Kameras arbeiten mit Bewegungssensoren und Infrarot-Licht und liefern so faszinierende Einblicke in die nächtlichen Aktivitäten von Tieren. Wir hoffen darauf, besondere Kröten, Frösche und Vögel, zum Beispiel auch den Eisvogel, zu erfassen.

Teile des Volksparks Rehberge mit dem angrenzenden Plötzensee gehören zum einzigen Landschaftsschutzgebiet im Bezirk Mitte. Die Ufer der vorhandenen Seenkette sind daher durch einen Zaun geschützt. Uns Stadtnatur-Rangerinnen ist es durch eine spezielle Bewilligung erlaubt, auch geschützte Bereiche zu betreten. Und so überklettern wir den Zaun ganz legal. Wir wechseln die Batterien an den Kameras und die SD Karte. So können wir später über den Laptop die entstandenen Bilder und Videos einsehen. Das sind jedes Mal spannende Momente.

14:00 Uhr – Letzte Station: Plötzensee

Unsere letzte Station für heute ist der Plötzensee. Wir schließen die Fahrräder am nördlichen Ende des Sees an und gehen an der östlichen Seite entlang. Viele Stockenten, Reiherenten und Blessrallen schwimmen auf dem See. Mehrere Graureiher stehen regungslos an den Ufern. Dann entdecken wir drei Menschen beim „Wildbaden“. Die Wassertemperaturen sind noch nicht so hoch, aber das Baden in diesem See ist unter den Berliner*innen zu jeder Jahreszeit sehr beliebt. So beliebt, dass sich einige über das Verbot hinwegsetzen, über die Zäune zu klettern, die Uferbereiche zu betreten und von dort ins Wasser zu steigen. Schwimmen ist am Plötzensee aber nur im Bereich des Strandbades erlaubt.

Das Wort Landschaftsschutzgebiet fasst sich aus Landschaft und Schutz zusammen. Das bedeutet,  dass diese Landschaft einschließlich ihrer Uferzone als Rückzugsraum und auch als Nahrungsgrundlage für Pflanzen und Tiere geschützt ist. Doch von diesen Rückzugsräumen ist am Plötzensee aktuell nicht mehr viel übrig. Hier am nördlichen Ende ist die ursprünglich naturnahe Ausprägung noch zu erahnen. Entlang des östlichen Ufers sind die Uferbereiche allerdings stark beansprucht. Der Sand liegt blank und Bewuchs fehlt, sodass der Boden bei Regen in den See gespült wird. Sehr viele Trampelpfade sind hinter dem Zaun zu erkennen. Sie stammen aber von Menschen, Anzeichen von tierischen Uferbewohnern finden wir nicht.

Hier am Plötzensee ist es deswegen unsere Aufgabe, Bürger*innen über die naturfachlichen Hintergründe zur Situation aufzuklären und auch auf das Badeverbot hinzuweisen. Als wir an den steinernen Terrassen ankommen, steigen die Badenden aus dem Wasser. Wir wollen sie nicht überrumpeln und warten bis sie angekleidet sind. Dann stellen wir uns freundlich vor. Die Badenden sind sichtlich überrascht. Als wir ihnen erklären, warum die Uferzone des Plötzensees geschützt ist und welche Bedeutung sie für das Ökosystem hat, fragen sie neugierig nach. Wir haben den Eindruck, dass sie Verständnis aufbringen.

Bürgergespräche und naturfachliche Aufklärung sind ein wesentlicher Bestandteil unserer Arbeit. Wir freuen uns, wenn wir die Menschen mit unseren Anliegen erreichen und ihnen auch für zuvor Alltägliches die Augen öffnen können.

Nach zwei Stunden Bürgergesprächen endet unser heutiger Einsatz. Jeder Tag gestaltet sich immer wieder anders, denn der Bezirk Mitte ist groß und unsere Aufgaben sehr vielseitig. Wir gehen zurück zu unseren Fahrrädern und radeln in den Feierabend. Morgen ist ein neuer Tag. Und wir sind gespannt, was dieser für uns bereithält.

- Laura Damerius & Simone Völker