Derk Ehlert, sag doch mal! Folge 5

Na, haben Sie sie auch schon gesehen? Abends beim Spaziergang durch den Wald, am Uferweg entlang oder vielleicht sogar im eigenen Garten? Diese kleinen, stillen Lichter, die über dem Boden schweben oder im Gras leuchten – Glühwürmchen! Es sind zwar weiterhin Einzelfunde, aber es scheint, als würden in diesem Jahr ein paar mehr von ihnen durch die Berliner Nächte funkeln. Und ich kann Ihnen sagen: Es ist jedes Mal ein kleiner Gänsehautmoment. Doch bedeutet das gleich einen Glühwürmchen-Sommer? Oder sind wir einfach nur aufmerksamer geworden? Kommen Sie mit – wir tauchen mal kurz ein ins Leben der Leuchtkäfer.

Auch wenn wir sie umgangssprachlich „Glühwürmchen“ nennen – es sind in Wahrheit Käfer. Um genau zu sein: Leuchtkäfer. Und die sind bei uns gar nicht so selten, wie viele denken. In Berlin und Brandenburg kommen drei Arten vor:

Der Große Leuchtkäfer (Lampyris noctiluca) – am häufigsten zu entdecken,

der Kleine Leuchtkäfer (Lamprohiza splendidula) – bislang nur aus Brandenburg bekannt, aber möglicherweise auch schon still und heimlich Berliner,

und der Kurzflügel-Leuchtkäfer (Phosphaenus hemipterus) – sehr schwer zu finden, aber ein echtes Highlight.

 

Was sie alle gemeinsam haben? Sie sind Schneckenjäger. Sowohl die Larven als auch die ausgewachsenen Tiere ernähren sich von Weichtieren – und sie alle können auf ihre Weise leuchten. Das Leuchten ist ein kleines Wunder der Natur: Möglich macht es das Enzym Luciferase, das in einem chemischen Prozess ein kaltes Licht erzeugt – also ohne Wärme, dafür mit minimalem Energieaufwand. Diese Form der Biolumineszenz ist hocheffizient – kein Wunder, dass die Forschung sich schon lange dafür interessiert.

Besonders spannend: Nicht nur die erwachsenen Käfer, auch die Larven leuchten! Das sieht nicht nur toll aus, es hat auch einen Zweck: Kommunikation, Abschreckung, Partnersuche – je nach Art. Beim Großen Leuchtkäfer etwa sitzen die flügellosen Weibchen am Boden und leuchten, um die fliegenden Männchen anzulocken. Eine echte Lichtbotschaft.

Der Große Leuchtkäfer (Lampyris noctiluca) und der Kurzflügel-Leuchtkäfer (Phosphaenus hemipterus) sind an feuchte Lebensräume gebunden: Uferwälder, Bruchwälder, moorige Senken – überall dort, wo es etwas kühler und feuchter ist, fühlen sie sich wohl. Der Kleine Leuchtkäfer (Lamprohiza splendidula) ist eher an warmen Hängen zu finden.

Gute Orte zum Glühwürmchen-Schauen in Berlin? Zum Beispiel entlang der Havel, am Müggelsee, im Spandauer Forst (Teufelsbruch) oder im Bucher Forst. Wer zur richtigen Zeit – meist zwischen Ende Juni und Mitte Juli, kurz nach Sonnenuntergang – dort unterwegs ist, wird vielleicht mit einem kleinen Leuchtspektakel belohnt.

Die große Frage nun: Haben wir es mit einem Glühwürmchen-Boom zu tun? Eher nicht. Die Beobachtungen, so erfreulich sie sind, deuten nicht auf eine dramatische Zunahme der Populationen hin. Es handelt sich vermutlich um natürliche Schwankungen. Solche gibt es bei vielen Insekten – mal sind die Bedingungen günstiger, mal weniger. Auch Zufall spielt eine Rolle: Vielleicht haben dieses Jahr einfach mehr Leute zur richtigen Zeit am richtigen Ort genauer hingeschaut.

Und gerade deshalb ist es so wichtig, Beobachtungen zu melden, zum Beispiel über den ArtenFinder Berlin. Denn langfristig wissen wir noch viel zu wenig darüber, wie es unseren Glühwürmchen wirklich geht. Vor allem die zunehmende Austrocknung unserer Wälder und Moore durch heiße Sommer könnte ihnen schaden – denn ohne feuchte Böden und Schnecken-Nahrung haben sie keine Zukunft. Umso wichtiger, dass wir ihre Vorkommen dokumentieren. Und: dass wir ihre Lebensräume schützen.

Also, wenn Ihnen demnächst bei einem Abendspaziergang ein sanftes Leuchten aus dem Gras entgegenkommt – bleiben Sie stehen, schauen Sie genau hin, und staunen Sie! Und wenn Sie mögen: Melden Sie Ihren Fund. Denn jede einzelne Beobachtung hilft.

Ihr Derk Ehlert

Derk Ehlert ist Berlins Wildtierexperte und kümmert sich bei der Senatsumweltverwaltung um alles, was kreucht und fleucht. Ob Füchse am Kanzleramt oder Waschbären in der Mülltonne – er kennt die wilden Bewohner der Stadt wie kein Zweiter und bringt Licht ins Dickicht der Stadtnatur.