Das gehört doch verboten! Oder nicht?
Über invasive Arten in unseren Gärten

Neulich bekam ich bei einem Bekannten eine kleine Gartenführung, die uns in eine unbefriedigende Diskussion brachte. Sein Garten ist ein biodiverses Musterstück, wilde Pflanzen dürfen wachsen, es herrscht ein fröhliches Nebeneinander von liegengebliebenem Totholz und heimischen Gehölzen, an der Kompostecke wachsen die Brennnesseln. Der kurze Spielrasen für die Kinder bildet neben der Wildblumenwiese einen strukturellen Kontrast, zwischen den alten Zwetschgen-Bäumen reckeln sich Rosenkohl und Porreé, sie gewähren Natternkopf und Ochsenzunge Gastrecht in ihrem Beet. Kein Rasenmähergeblöke übertönt den Biolärm, kein gesteinigter Vorgarten speichert die Mittagshitze bis in die Nacht. Nur EIN Gewächs passte nicht ins Konzept: Ein Kirschlorbeer. Als die Sprache auf das gerade umgesetzte Verkaufsverbot dieses Gehölzes in der Schweiz kam, waren wir uns uneins. Ein Verbot bringe gar nichts, kam es von meinem Gegenüber. Die invasiven Arten, die einmal bei uns gelandet sind, werden sich nicht abhalten lassen, sich zu verbreiten. Die Natur wird das schon regeln und wieder ins Gleichgewicht kommen. Ich setzte entgegen, dass es sicher nicht hilfreich ist, die Gärten ungebremst weiter mit potenziell Invasiven zu bestücken. Einen gesetzlichen Riegel vorzuschieben, kann doch nicht schaden. Aber was stimmt denn nun? Und was ist eigentlich so schlimm an den „Neuen“? Dazu schauen wir uns drei eingewanderte Arten genauer an.
Der Götterbaum
Der ursprünglich aus China stammende Götterbaum (Ailanthus altissima) zum Beispiel wurde schon vor 250 Jahren nach Berlin gebracht. Gartenkünstler Peter Joseph Lenné platzierte ihn gern wegen seiner palmenartigen Blätter in Parks und Gärten und legte so den Grundstein für ein botanisches Dilemma. Denn einerseits ist der Götterbaum sehr widerstandsfähig gegen Trockenheit und Hitze, das Stadtklima und der Klimawandel machen ihm somit nicht viel aus. Andererseits wurde in anderen europäischen Ländern beobachtet, wie er in naturschutzfachlich sensible Gebiete eindringt und seltene Arten verdrängt. In Berlin ist das allerdings laut eines Beschlusses des Sachverständigenbeirats für Naturschutz und Landschaftspflege zu „Empfehlungen zum Umgang mit dem Götterbaum in Berlin vor dem Hintergrund der EU-Verordnung zu invasiven Arten“ vom 27.01.2021 noch nicht belegt, könnte aber noch eintreten. In den vergangenen Jahren wurden aber junge Götterbäume in Schutzgebieten gefunden, die möglichst schnell beseitigt wurden. Fakt ist – wo er einmal steht, bekommt man ihn schwer wieder weg. Denn er verhält sich wie der Drache aus dem Märchen, schlägt man einen Götterbaum ab, wachsen zwei und mehr nach.
Kirschlorbeer
Auch der aus dem Balkan und dem Kaukasus stammende Kirschlorbeer (Prunus laurocerasus) hat eine lange Tradition in unseren Gärten, er fand seinen Weg schon im 16. Jahrhundert nach Mitteleuropa. Er ist immergrün, wächst üppig und schnell, hat kaum Krankheiten und toleriert jede Art von Boden. Ein gärtnerischer Traum. Aber auch ein ökologischer Albtraum. Denn seine Beeren werden gern von Vögeln gefressen. Die werfen die Samen dann mit ihrem Kot gleich einer Seedbomb in die freie Natur. Dort verdrängt er mit seiner robusten Natur heimische Arten. Selbst wenn der Kirschlorbeer mit seinen Blüten einzelne Bienen und andere Insekten anzieht und er Heckenbrütern als Brutgehölz dient – der Preis ist zu hoch. Noch ist diese Art nicht flächendeckend in unseren Wäldern angesiedelt, noch könnte ein Handelsverbot den Einzug in die freie Natur bremsen.
Die Spätblühende Traubenkirsche
Bei der Spätblühenden Traubenkirsche (Prunus serotina) dürfte das allerdings schon zu spät sein. Ihre Heimat ist der nordamerikanische Osten, im 17. Jahrhundert stand sie schon in französischen Gärten. Auch sie wird durch Vögel aus Siedlungsgebieten in die wilde Natur verbreitet. Sie wächst sehr schnell und bildet dichte Bestände. Dadurch nimmt sie heimischen Pflanzenarten, wie jungen Baumsetzlingen oder krautigen Pflanzen das Licht – diese haben keine Chance, sich zu entwickeln. Das ist ein wirtschaftliches Problem in Forsten, aber besonders auch in geschützten Biotopen, wie dem Fingerkraut-Eichenwald in der Berliner Wuhlheide. Um Prunus serotina an diesem besonderen Ort Einhalt zu gebieten, rücken seit 2012 zahlreiche Helfer unter Anleitung der Stiftung Naturschutz Berlin mit Spaten und Astschere an, um die Spätblühende Traubenkirsche zu entfernen und dadurch sehr seltene floristische Besonderheiten und ihren Lebensraum zu schützen. In großen Teilen der Berliner Wälder ist aber eine dauerhafte Reduzierung der Spätblühenden Traubenkirsche nicht möglich, verschwinden wird sie nie. Seit Jahrzehnten werden Methoden erprobt, mit denen eine Dominanz der Spätblühenden Traubenkirsche verhindert werden könnte.
Gärten mit ökologischem Anspruch
Nicht alle Neophyten sind auch invasiv, nur wenige davon machen Probleme. Bei invasiven Arten, die noch nicht zu weit in die freie Natur vorgedrungen sind, kann sich ein Verkaufsverbot (noch) lohnen. Denn die weitere Verbreitung lässt sich nicht eindämmen, solange weiterhin neue Pflanzen in Gärten gepflanzt werden, von wo aus sie in die Natur gelangen. Und selbst bei Arten, die wir mittlerweile in großen Teilen des Waldes gewähren lassen – unsere Gärten als Quelle der Verbreitung auszuschalten, macht Sinn. Vor allem, wenn sich der Garten in der Nähe zur freien Landschaft oder von Naturschutzgebieten befindet.
Invasive Arten haben zwar auch einen ökologischen Wert, der kommt aber eher auf stark gestörten Ökosystemen zum Tragen. Bei einem Garten sollte jedoch ein anderer Maßstab gelten. Er sollte ein Ort sein, der die heimische Biodiversität fördert und Wildtiere unterstützt, die auf regionale Pflanzen und Lebensräume angewiesen sind.
Professionelle Hilfe gibt es dafür bei der Stiftung Naturschutz Berlin. Mit der Beratung für biologische Vielfalt unterstützt die Koordinierungsstelle Flora-Fauna Gärtner*innen oder Verantwortliche für Grünflächen kostenlos und wissenschaftlich fundiert mit Know-how, wie Lebensräume für Wildtiere entwickelt werden, wie Blühwiesen oder Wildhecken angelegt werden oder Grünflächen klimafit gemacht werden. Mögliche Alternative zum wintergrünen Kirschlorbeer könnte zum Beispiel die Eibe (Taxus) sein. Oder man pflanzt landschaftstypische sommergrüne Gehölze und erfreut sich an den jahreszeitlich wechselnden Ansichten.

Jana Kotte jongliert für gewöhnlich als Referentin für Kommunikation mit Farben, Schriften und Fotos, um die Arbeit der Stiftung Naturschutz Berlin sichtbar zu machen. In ihrer Freizeit pirscht sie sommers wie winters als Artenfinderin durch die Natur, um auch noch die letzte Wildbienenart zu entdecken und zu dokumentieren. Diese und andere Arten findet sie oft auch in ihrem eigenen Garten, den sie Stück für Stück zu einem vielfältigen artenreichen Stück Erde verwandeln will.