Achtung, Nachwuchs!

Wie du Berlins Wildtiere während der Brut- und Setzzeit schützt

Stell dir vor, du spazierst durch das Tempelhofer Feld. Die Sonne geht gerade auf, die Stadt erwacht langsam – und plötzlich hörst du ein hohes, trällerndes Lied über dir. Das ist die Feldlerche, ein kleiner, brauner Vogel mit einer unglaublichen Stimme. Sie steigt hoch in den Himmel, bis sie nur noch ein kleiner schwarzer Punkt ist, singt aus voller Kehle und lässt sich dann fast senkrecht zurück ins Gras fallen.

Die Feldlerche (Alauda arvensis) ist in der Roten Liste der Brutvögel von Berlin in der Kategorie 3 geführt, was “gefährdet” bedeutet.  Aufgrund des Rückgangs ihres Lebensraums durch Intensivierung der Landwirtschaft und den Verlust von Brachflächen sind ihre Bestände in den letzten Jahrzehnten deutlich zurückgegangen. 

Was für dich unbemerkt bleibt: In den hohen Wiesen hat sie ihr Nest gut versteckt, kaum zu erkennen zwischen den Halmen. Ihre Küken schlüpfen dort und sind auf Schutz angewiesen. Doch wenn Menschen oder Hunde durch die Wiesen laufen, kann es passieren, dass sie versehentlich auf das Nest treten oder die Elternvögel so sehr stören, dass sie die Brut aufgeben. Deshalb ist es so wichtig, auf den Wegen zu bleiben und Hunde anzuleinen.

Jedes Jahr im Frühling beginnt in Berlin eine der wichtigsten Zeiten für unsere heimische Tierwelt: die Brut- und Setzzeit. Von März bis Juli ziehen viele Wildtiere ihren Nachwuchs groß – darunter auch Feldlerchen (Alauda arvensis) und Goldammern (Emberiza citrinella). Bodenbrütende Vogelarten, die offene Landschaften wie Wiesen, Felder und lichte Wälder bevorzugen. Die Feldlerche beginnt ihre Brutzeit bereits im März und kann bis in den Juli hinein zwei bis drei Jahresbruten aufziehen. Ihr Nest baut sie gut versteckt in einer kleinen Bodenmulde, oft am Rand von Grasbüscheln oder Getreidefeldern. Das Gelege besteht meist aus drei bis fünf Eiern, die das Weibchen etwa 11–14 Tage lang bebrütet.

Doch gerade in einer Stadt wie Berlin, mit vielen Parks, Grünflächen und Wiesen, kann diese Zeit für die Tiere gefährlich werden. Wie kannst du helfen? Mit ein paar einfachen Regeln kannst du dazu beitragen, dass Feldlerchen, Rehkitze und andere Wildtiere in dieser Zeit sicher aufwachsen.

1. Bleib auf den Wegen

Bodenbrütende Vögel wie die Feldlerche verlassen ihr Nest, wenn sie sich bedroht fühlen. Wenn du abseits der Wege läufst, kann es passieren, dass du ohne es zu merken ein Nest zerstörst. Halte dich also an die ausgeschilderten Wege – das gilt besonders für Wiesen und Felder in Parks oder Naturschutzgebieten.

2. Wiesen und Felder nicht betreten

Viele Berliner Parks haben große Wiesenflächen, die in der Brutzeit auch als Lebensraum für Wildtiere dienen. Besonders das Tempelhofer Feld, die Gatower Rieselfelder oder das Tegeler Fließ sind Rückzugsorte für Bodenbrüter. Vermeide es, in diesen Gebieten ins hohe Gras zu laufen.

3. Hunde anleinen – es ist Pflicht!

Seit dem 1. Januar 2019 gilt in Berlin eine allgemeine Leinenpflicht für Hunde im gesamten Stadtgebiet. Ausnahmen bestehen lediglich in ausgewiesenen Hundeauslaufgebieten und Hundefreilaufflächen. Auch wenn es verlockend ist, den Hund frei laufen zu lassen, sollten Hundehalter ihre Tiere während der Brut- und Setzzeit stets an der Leine führen. Ein frei laufender Hund kann durch sein natürliches Jagdverhalten Vögel und andere Wildtiere aufschrecken oder sogar verletzen. Auch wenn dein Hund nur spielen will – für ein kleines Rehkitz oder eine brütende Feldlerche kann das lebensgefährlich sein.

4. Keine Jungtiere anfassen

Wenn du ein scheinbar verlassenes Rehkitz, ein Vogelküken oder einen kleinen Hasen siehst, lass ihn unbedingt in Ruhe. Oft sind die Muttertiere in der Nähe und warten nur darauf, dass die Gefahr vorüber ist. Wenn du ein Tier in Not glaubst, wende dich lieber an eine Wildtierstation oder die Naturschutzbehörde.

5. Vorsicht beim Mähen und Gärtnern

Wenn du einen Garten hast oder in einer Kleingartenkolonie bist, achte vor dem Mähen darauf, ob sich Vögel oder andere Wildtiere in der Wiese aufhalten. Große Rückschnitte an Hecken sind von Anfang März bis Ende September auch nicht mehr möglich. Auch in privaten Gärten können sich Nester befinden, die geschützt werden sollten.

6. Freigänger-Katzen im Haus behalten

Wenn du eine Katze hast, die die Nachbargärten durchstreift, behalte sie während der Brut- und Setzzeit im Haus. Katzen erbeuten oft Jungvögel und geschwächte Tiere. Auch kann eine umherstreifende Katze Stress für die Elternvögel bedeuten. Sie sind dann eingeschränkter bei der Nahrungssuche.

Gemeinsam für Berlins Tierwelt

Diese Schutzmaßnahmen können einen wichtigen Beitrag leisten, um den Fortbestand der Feldlerche in Berlin zu sichern und ihren Lebensraum zu erhalten. Die Brut- und Setzzeit ist eine kritische Phase für viele Tiere. Wer sich in der Natur umsichtig verhält, stellt sicher, dass Wildtiere ungestört ihren Nachwuchs großziehen können. Mit einfachen Maßnahmen – wie dem Anleinen von Hunden, dem Vermeiden von Störungen und dem Respektieren von Schutzgebieten – unterstützen wir den Erhalt unserer heimischen Tierwelt.

 

Friederike Richter ist Ökologin mit Spezialisierung auf Ornithologie und hat in den letzten 15 Jahren in Naturschutz- und Forschungsprojekten in verschieden Teilen der Welt gearbeitet. Sie ist seit dreieinhalb Jahren leidenschaftlich für die Stiftung Naturschutz Berlin als Stadtnaturrangerin in den Berliner Bezirken Marzahn-Hellersdorf und Spandau tätig, wo sie sich unter anderem für den besonderen Schutz von Boden brütenden Arten einsetzt.