Die Vielfalt im Blick

Pflanze des Monats Juni 2025

Schlitzblättriger Storchschnabel Geranium dissectum L.

Diesen Monat möchten wir Ihnen eine Art vorstellen, die in Berlin bis vor wenigen Jahren als verschollen galt. Das heißt: Keines der bekannten Vorkommen konnte über einen längeren Zeitraum bestätigt werden und auch neue Vorkommen konnten nicht ausfindig gemacht werden. Ist dies der Fall, gilt eine Art für ein bestimmtes Gebiet als verschollen. Doch Totgesagte leben bekanntlich länger. 2022 gelang unseren Stadtnatur-Rangern ein erfreulicher Wiederfund. Wir möchten Ihnen diese besondere Pflanze nun von ihrer besten Seite präsentieren. Die Rede ist vom Schlitzblättrigen Storchschnabel (Geranium dissectum).

Tief geteilte Blätter sind Namensgeber

Typisch für die Art sind die sehr tief, fast bis zu den Blattnerven eingeschnittenen Blätter, welche ihr ein charakteristisches Aussehen verleihen. Die winterannuelle Halbrosettenpflanze wächst bis zu 60 cm hoch und blüht von Mai bis August und öffnet dabei ihre rosa bis violetten, fünfteiligen Blüten. Um den Schlitzblättrigen Storchschnabel sicher von ähnlich aussehenden Arten unterscheiden zu können, gibt es mehrere hilfreiche Merkmale: Der 0,5 – 3 cm recht kurze, abstehend behaarte, drüsige Blütenstandsstiel sowie Kelchblätter ohne Hautrand, aber mit Drüsen. Der Name Storchschnabel verweist auf die Form der Frucht, die einem langen Vogelschnabel ähnelt.

Am Acker und Wegesrand zuhause

Damit sich die Art wohlfühlt, benötigt sie nährstoffreiche, sandige bis lehmige Böden. Vor allem Äcker mit Hackfruchtkulturen wie Kartoffeln oder Rüben sowie Gärten und Wegränder mit diesen Eigenschaften bieten der Art gute Lebensbedingungen. Damit die Keimung gelingt, ist die Art auf regelmäßige Bodenstörungen und vegetationsfreie Stellen angewiesen – etwa durch Bodenbearbeitung oder Tritt. Fehlen solche Dynamiken, verschwindet sie oft rasch aus der Fläche.

In Berlin ist der Schlitzblättrige Storchschnabel noch an einem nährstoffreichen Saum an einem Pfuhl im Bezirk Neukölln anzutreffen. Wo die Art vorkommt, dient sie potenziell ebenfalls als Futterpflanze für die Raupen des Kleinen Sonnenröschen-Bläulings (Aricia agestis).

Lokal bedroht, doch weltweit zu finden

Der Schlitzblättrige Storchschnabel stammt ursprünglich aus Europa, dem westlichen Asien und den Küstenregionen Nordafrikas. Dort ist er besonders im nordmediterranen Raum mit Flaumeichenwäldern weit verbreitet. Inzwischen hat sich die wärmeliebende Art durch den Menschen auch in anderen Teilen der Welt angesiedelt – unter anderem in Australien, Südafrika und Südamerika –, wo sie als sogenannter Neophyt vorkommt.

In Europa reicht das geschlossene Verbreitungsgebiet von Süd- und Westeuropa bis nach Mittel- und Südosteuropa, mit Ausläufern bis nach Dänemark, Polen, Moldawien und in die Ukraine. Auch im Kaukasus ist die Art großflächig vertreten. Daneben gibt es verstreute Vorkommen in Nordeuropa und auf vielen Mittelmeerinseln. Deutschland liegt im Kernbereich des natürlichen Verbreitungsgebiets. Geranium dissectum kommt hier von den Küsten bis in die Alpenregion vor. Die Art wurde jedoch in großen Teilen Schleswig-Holsteins und Südostbayerns seit 1980 nicht mehr bestätigt und ist dort im Rückgang begriffen.

Im Nordosten Deutschlands hingegen – insbesondere in Brandenburg und Berlin – ist der Schlitzblättrige Storchschnabel deutlich seltener. Hier beschränken sich die verbliebenen Vorkommen meist auf wärmebegünstigte, offene Standorte. In Brandenburg sind Bestände vor allem im Nordwesten des Landes bekannt, vereinzelt bis nahe an die Berliner Stadtgrenze. Seit Mitte des 20. Jahrhunderts ist ein deutlicher Rückgang der Art in dieser Region zu beobachten.

Wenn jeder Standort zählt

Der Schlitzblättrige Storchschnabel war in Berlin schon immer nur vereinzelt anzutreffen. Umso gravierender wirken sich der Verlust und die Veränderung naturnaher Lebensräume auf seine Bestände aus. Je seltener eine Art an einem Ort vorkommt, desto stärker ist sie auch durch die Vernichtung durch Zufallsereignisse gefährdet. Um das letzte bekannte Vorkommen der Art in Berlin dauerhaft zu erhalten, findet eine regelmäßige Biotopflege am letzten Standort statt. Zusätzlich wurden bereits erfolgreich Samen der Art von den Stadtnatur-Rangern gesammelt. Das ermöglicht es, Vermehrungskulturen für die Art anzulegen und so die Population am bekannten Standort durch Ausbringungen zu unterstützen. Aber auch die erneute Etablierung der Art an geeigneten Standorten in der Stadt ist so wieder möglich.

Es lohnt sich, die Augen offen zu halten! Sollten Sie auf Ihren Spaziergängen in Berlin eine solche Pflanze finden, freuen wir uns sehr über eine Fundmeldung über das Artenfinderportal mit Fotobeleg. Vielen Dank!

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