Artenkenner*in werden und bleiben? So geht's!
Der Bestimmungskurs bei unserem Projekt ArtenFinder- ArtenKenner ist erfolgreich geschafft. Die Teilnehmenden der drei Kurse können 40 Wildbienen-Arten bestimmen, fragile Tagfalter in der Hand halten und Käfergruppen unterscheiden. Doch wie geht es danach weiter? Wie können die Absolvent*innen das Wissen behalten? Und wie steigen sie weiter auf der Leiter der Artenkenntnis auf?
Nach dem Kurs ist es wichtig, dass die Teilnehmenden sich nachhaltig mit ihrer Artengruppe beschäftigen können. Wir haben die angehenden ArtenKenner*innen daher in der Vergangenheit ermutigt, Wildbienen, Käfer oder Schmetterlinge ehrenamtlich in der Stadt zu kartieren. Viele von ihnen waren daraufhin regelmäßig auf Grünflächen nahe der Arbeitsstätte, im eigenen Garten oder in Kleingartenanlagen unterwegs. In diesem Jahr gehen wir noch einen Schritt weiter. In Kooperation mit Grün Berlin bieten wir eine Kartierung für alle drei von uns angebotenen Artengruppen (Wildbienen, Tagfalter, Käfer) im Park am Gleisdreieck an. Für die Tagfalter haben wir es im letzten Jahr schon ausprobiert: Die Ehrenamtlichen haben den Park begutachtet, sich selbstständig in Kleingruppen organsiert und die Fläche dann mindestens einmal im Monat besucht. Sie fingen und bestimmten die Tiere, fotografierten ihre Funde und gaben die Daten im ArtenFinder-Portal ein. Leider ist es häufig nicht möglich, Wildbienen und Käfer im Feld sicher auf Artniveau zu bestimmen. Sie müssen mitgenommen und unterm Binokular betrachtet werden. Die allermeisten Tagfalter hingegen können direkt wieder freigelassen werden.
Wie schwer bestimmende Arten idendifizieren?
Naturschützer sind darauf angewiesen, die Vorkommen von Arten zu kennen. Selbst langjährige Wildbienenexperten schätzen, dass sie „nur“ 40-60% der Arten ohne Mikroskop bestimmen können. Dieser Anteil liegt beim Nachwuchs natürlich deutlich niedriger. Aber gerade diesen Nachwuchs brauchen wir, um auch künftig Daten zur Verbreitung und dem Vorkommen von Arten zu erhalten.
Auch wenn es paradox klingt – der Naturschutz ist auf das Sammeln von Belegexemplaren angewiesen. Dabei gilt natürlich: Vor dem Sammeln bzw. Töten sollte geprüft werden, ob dies wirklich notwendig ist und wie viele Tieren im Nachhinein auch bearbeitet werden können. Getötete Tiere werden nach der Bestimmung nicht entsorgt, sondern zu einer wichtigen Informationsquelle. Sie werden präpariert, etikettiert und gelagert. So belegen sie auch für die nachfolgenden Generationen das Vorkommen einer Art zu einem bestimmten Zeitpunkt an einem bestimmten Ort. Das Sammeln einzelner Individuen führt i.d.R. nicht zu einer Beeinflussung der Gesamtpopulation, da die meisten Insektenarten sehr viele Nachkommen haben, sie sind sogenannte r-Strategen. So können sie selbst hohe Verluste, zum Beispiel durch Fressfeinde wie Vögel, ausgleichen.
Sammelgenehmigung, Sammlung und Daten
Trotzdem dürfen Wildbienen nicht einfach gefangen und getötet werden. Sie sind gesetzlich besonders geschützt, ihr Fang ist verboten. Dies ist auch bei vielen Tagfaltern und einigen Käfern der Fall: Alleine für ihren Fang bedarf es daher einer Ausnahmegenehmigung durch die Oberste Naturschutzbehörde. Für die ehrenamtlichen Kartierungen im Rahmen unserer Kurse übernehmen wir die Antragstellung. Schließlich übermitteln die Kartierer*innen uns am Ende des Jahres die Daten über die gefundenen Tiere. Die gesammelten TEinzeltiere verbleiben bei den Nachwuchs-Artenkenner*innen, die so nicht nur das Bestimmen, sondern auch das Anlegen und Pflegen einer wissenschaftlichen Sammlung lernen. Doch woher wissen die angehenden Artenkenner*innen, dass sie die Insekten richtig bestimmt haben?
Lernen mit Expert*innen
Im ArtenFinder-Portal prüfen ehrenamtliche Expert*innen eingereichte Artmeldungen mit einem Bildnachweis. Insbesondere Tagfalter und viele Käfer können gut durch ein Foto bestimmt und belegt werden. Doch wie sieht es mit den schwer bestimmbaren Käfern und Wildbienen aus? Auch hier bieten wir die Möglichkeit oder streben Kooperationen mit Expert*innen an, um eigene Bestimmungen überprüfen lassen zu können. Dies ist für das Lernen und den späteren Vergleich mit anderen Sammlungsobjekten von unschätzbarem Wert.
Von 2020 bis 2022 wurden erfolgreich Wildbienen in Berliner Kleingartenanlagen und Parks kartiert – deutschlandweit das erste Projekt dieser Art. Acht Absolvent*innen unserer Wildbienen-Bestimmungskurse, fingen und bestimmten Wildbienen an acht verschiedenen Orten. Sie konnten über die Jahre mehr als 110 Arten nachweisen, was etwa einem Drittel der in Berlin vorkommenden Arten entspricht. Eine erstaunliche Anzahl, da es sich bei den Untersuchungsflächen nicht um Schutzgebiete handelte. Für die Kontrolle der Bestimmungen arbeiteten wir mit Dr. Christoph Saure zusammen, einem ausgewiesenen Wildbienenexperten in Berlin. Die gesammelten Daten stehen nun dem Naturschutz und den Kleingartenvereinen zur Verfügung.
Autor: Felix Riedel