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Die Vielfalt im Blick

Pflanze des Monats Dezember 2020

Kamm-Wurmfarn Dryopteris cristata (L.) A. Gray

Farne galten lange Zeit als mystisch und gaben den Menschen Rätsel auf. Denn obwohl sich die Pflanze vermehrt, sind keine Blüten, Samen oder Früchte zu sehen. Die findige Erklärung im mittelalterlichen Europa war bestechend einfach: Farnsamen müssen unsichtbar sein. Und entsprechend glaubten die Menschen, dass auch sie durch den Verzehr der Samen unsichtbar werden können.

Weniger mystisch als der Glaube an unsichtbare Farnsamen, aber umso gefährlicher war hingegen die volkstümliche Verwendung von giftigen Farnwurzeln zur Wurmbekämpfung. Da die Wirkstoffkonzentration der Pflanzenteile großen Schwankungen unterliegen, hatten solche Wurmkuren mitunter Todesfolgen. Bis heute zeugt die Bezeichnung der Gattung der Wurmfarne von dieser Anwendung.

Der Artname des 30 bis 80 cm hohen Kamm-Wurmfarns ist glücklicherweise weniger morbiden Ursprungs. Er ist auf seinen interessanten Habitus mit zwei unterschiedlichen Arten von Wedeln zurückzuführen. Die fruchtbaren Wedel sind am größten und stehen straff aufgerichtet in der Mitte der Grundrosette. Sie dienen der Verbreitung der Sporen, die auf der Unterseite der Fiederblätter in Sporenbehältern sitzen. Denn entgegen dem mittelalterlichen Irrglauben besitzen Farne keine Samen, sondern klitzekleine Sporen. (Mehr zur Fortpflanzung der Farnpflanzen in der Pflanze des Monats vom Januar 2020.)

Damit die Sporenbehälter für Windböen möglichst gut erreichbar sind, stehen die Fiederblätter der Wedel in lockerem Abstand zueinander und werden mitunter rechtwinklig zur Blattspreite nach oben gedreht. Die Silhouette ähnelt dann einem aufrechten Kamm. Die anderen Wedel sind kleiner und dienen ausschließlich der Fotosynthese. Sie wachsen eher waagerecht zum Boden, um das Sonnenlicht möglichst effektiv auszunutzen.

Die Schatten- bis Halbschattenpflanze meidet Kalk und benötigt für ihr Wohlergehen neben einem gewissen, aber nicht zu hohen Nährstoffgehalt vor allem viel Wasser. Geeignete Standorte findet sie zum Beispiel in Feuchtwiesen, an Moorrändern, in Röhrichten sowie in Erlen- und Birkenbrüchen. Die Art gilt als typische Vertreterin des borealen Nadelwald- und Birkenwaldgebietes und ist sowohl in Europa, in Sibirien als auch in Nordamerika zu finden.

Deutschland liegt am nordwestlichen Rand des europäischen Verbreitungsgebietes, das sich von Westfrankreich und den Alpenraum über Mitteleuropa, Ungarn, Polen, Südskandinavien und das Baltikum bis nach Zentralrussland und Westsibirien erstreckt. Bei uns ist der Kamm-Wurmfarn vor allem im Norddeutschen Tiefland und in der Alpenregion vertreten. Im Hügelland Deutschlands ist er sehr selten und nur verstreut zu finden.

Seit Mitte des 20. Jahrhunderts hat die Art vorrangig in Süd- und Mitteldeutschland viele Standorte verloren. Der Negativtrend setzte sich seit den 80er-Jahren insbesondere in Niedersachsen, Schleswig-Holstein und Brandenburg fort. Heute wird der Kamm-Wurmfarn deutschlandweit als gefährdet eingestuft. In Berlin gilt er als vom Aussterben bedroht.

Die Ursachen für den Rückgang liegen in der menschengemachten Veränderung seiner Standorte. Zahlreiche Feuchtgebiete wie Moore wurden und werden immer noch trockengelegt, um sie zu bebauen oder land- und forstwirtschaftlich zu nutzen. Ein anderer Faktor sind Stoffeinträge, etwa aus Düngemitteln von landwirtschaftlich genutzten Flächen oder in Form von Stickoxiden aus der Atmosphäre, die vornehmlich auf Abgase zurückzuführen sind. Die Folge ist eine stetige Nährstoffanreicherung der Standorte, wodurch stark wachsende Pflanzenarten wie Brennnesseln und Brombeeren sowie Gehölzaufwuchs gefördert werden. Konkurrenzschwächere Arten wie der Kamm-Wurmfarn leiden unter der resultierenden Verschattung und werden letzten Endes verdrängt. Er benötigt nämlich - wie viele andere Pflanzen auch – eine gewisse Portion Sonnenlicht, um sich geschlechtlich fortzupflanzen.

In solchen Fällen helfen eine Entbuschung der Standorte und das Zurückdrängen der konkurrenzstarken Pflanzenbestände. Als ebenfalls sinnvoll gilt eine einschürige Mahd der umliegenden Flächen mit Entfernung des Mahdgutes. Diese Maßnahme hilft, die Nährstoffanreicherung möglichst gering zu halten. Zur Förderung der Verjüngung könnten zudem auch kleinere Offenflächen in der Umgebung der Vorkommen geschaffen werden, da der Farn ein Lichtkeimer ist. Generell sollten Feuchtgebiete sowie ein ausreichend hoher Grundwasserstand gesichert werden. Das hilft auch vielen anderen gefährdeten Pflanzenarten.

Sollten Sie auf Ihren Spaziergängen eine solche Pflanze finden, freuen wir uns sehr über eine Fundmeldung per E-Mail mit Fotobeleg. Vielen Dank!

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