Logo Stiftung Naturschutz Berlin  
Die Vielfalt im Blick

Pflanze des Monats Oktober 2021

Einbeere Paris quadrifolia L.

Bei Spaziergängen durch schattige, feuchte Laubmischwälder kann einem mit etwas Glück eine ungewöhnlich aussehende Wildpflanze begegnen: aus einem Stängel entspringt ein Quirl aus vier, selten fünf netzadrigen Blättern, die in der Mitte einen Blütenstiel mit einer einzelnen Blüte bzw. einer schwarzblauen Beere tragen. Es handelt sich um die Einbeere, Paris quadrifolia.

Deren wissenschaftlicher Gattungsname Paris ist nicht etwa von der französischen Metropole abgeleitet, sondern bezieht sich auf die griechische Mythologie. Demnach stritten die Göttinnen Aphrodite, Athene und Hera um den Erisapfel, welcher „der Schönsten“ gewidmet war. Paris, ein verstoßener trojanischer Prinz, wurde daraufhin von Zeus auserwählt, den Streit zu beenden. Die vier Blätter der Einbeere sollen die drei Göttinnen und Paris darstellen, die um den Erisapfel stehen, der als einzelne Beere in der Mitte ruht. Im Ergebnis führte das Handeln der Beteiligten zum Trojanischen Krieg, aber das ist eine andere Geschichte…

Was nach dem Mythos mit einem goldenen Apfel verglichen wird, ist bei der Einbeere in Wirklichkeit eine schwarzblaue vielsamige Beere, die gelegentlich von Wald- und Rötelmäusen verspeist wird, wodurch die Samen verbreitet werden. Zwischen Mai und Juni ist die Blüte der Einbeere zu bewundern. Diese bleibt meist zwei bis drei Wochen geöffnet und ist besonders auffällig durch den schwarzen Fruchtknoten und die acht verlängerten Staubfäden mit gelben Staubbeuteln, die die sonst eher unscheinbare grüne Blüte mit einem Fransenschopf überragen.

Erfolgreich breitet sich die ausdauernde Einbeere über kriechende Rhizome im Waldboden aus und bildet dann mancherorts flächige Bestände. Hinsichtlich der Lebenserwartung kann die nur 10 bis 30 cm große krautige Pflanze mit den sie überragenden Bäumen und Sträuchern gut mithalten. Die genetisch identischen Klone der Einbeere können mehr als 200 Jahre alt werden.

Die Einbeere besiedelt ein ausgedehntes europäisch-asiatisches Areal von Nordspanien bis Nordskandinavien und von England bis nach Sibirien. Vorposten befinden sich beispielsweise auf Island, in Nordschottland und auf Sardinien. Deutschland gehört zum Hauptareal des Verbreitungsgebiets. Hier war die Einbeere früher in den Bruch- und Auwäldern und in frischen bis sickerfeuchten Laub- und Nadelmischwäldern regelmäßig anzutreffen. Seit Mitte des 20. Jahrhunderts sind die Vorkommen in den stärker landwirtschaftlich geprägten Regionen Nordwest- und Ostdeutschlands jedoch zurückgegangen. In Brandenburg gilt die Art daher als gefährdet, in Berlin sogar als stark gefährdet.

Eine häufige Ursache für den Rückgang sind radikale Eingriffe wie Kahlschlag und Trockenlegung der Lebensräume, wodurch Bestände der Einbeere meist innerhalb weniger Jahre ganz verschwinden. Aber auch die Ablagerung von Holz- und Reisighaufen nach forstlichen Maßnahmen können der Art zu schaffen machen. Auch starke Wühlaktivitäten von Wildschweinen stellen eine erhebliche Gefährdung für die Bestände der Einbeere dar.

Insbesondere in Berlin sind die feuchten Wald-Lebensräume durch die erhöhte Grundwasserförderung zusätzlich bedroht und die Einbeere ist selten geworden. Erschwerend kommt die Konkurrenz durch schnell- und hochwüchsige Arten, wie Himbeere und Spätblühenden Traubenkirsche, hinzu, die der sonst eher genügsamen Art das letzte Licht am Waldboden rauben und sie verdrängen. Problematisch ist zudem das illegale Ablagern von Gartenabfällen in den Wäldern, wodurch Vorkommen dieser und anderer seltener Pflanzen vernichtet werden.

Eine naturnahe und nachhaltige Pflege und Bewirtschaftung der Wälder und der Waldumbau zu standorttypischen Gehölzen können die wenigen verbliebenen Vorkommen fördern. Dabei ist es häufig notwendig, neophytische und konkurrenzstarke Arten zu beseitigen, um die zunehmende Beschattung am Waldboden zu reduzieren.

Sollten Sie auf Ihren Waldspaziergängen eine solche Pflanze finden, achten Sie bitte darauf, dass gelegentlich die giftige Beere von Kindern mit einer Heidelbeere verwechselt wird. Bitte nicht kosten! In jedem Fall freuen wir uns sehr über eine Fundmeldung per E-Mail mit Fotobeleg. Vielen Dank!

Alle Pflanzen des Monats von A - Z