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Die Vielfalt im Blick

Pflanze des Monats Oktober 2023

Ähren-Ehrenpreis bzw. Ähriger Blauweiderich Veronica spicata L.

Der Herbst steht vor der Tür und nur noch wenige Pflanzenarten erfreuen uns mit einer späten Blüte. Auch der Ähren-Ehrenpreis (Veronica spicata) hat uns die letzten seiner leuchtend blauen Ähren im September gezeigt. Während einer langen Blütezeit, die im Juli begann, hat er verschiedensten Insektenarten Nektar und Pollen angeboten. Dabei ist er ein echter Überlebenskünstler, der auf nährstoffarmen und trockenen Sandböden vorkommt und damit eigentlich prädestiniert wäre für ein sich erwärmendes Klima. Doch wie viele unserer Pflanzen des Monats ist er durch intensive menschliche Landnutzung in seinen Beständen bedroht. Bekannt ist die Art auch unter ihrem Synonym Ähriger Blauweiderich, da sie früher zur Gattung der Blauweideriche (Pseudolysimachion) gezählt wurde.

Blau blüht der Ehrenpreis

Der Ähren-Ehrenpreis wächst als ausdauernde krautige Pflanze, die etwa 40 cm hoch wird. Der Stängel ist abstehend behaart und in seinem unteren Teil gegenständig, im oberen Teil meist wechselständig beblättert. Die Blätter sind ungestielt, ganzrandig oder fein gekerbt und werden selten mehr als 5 cm lang. Sein auffälligstes Merkmal ist jedoch der ährenförmige Blütenstand, der aus vielen, dicht übereinanderstehenden und leuchtend blauen Blüten besteht. Im Gegensatz zum größeren Langblättrigen Ehrenpreis bzw. Strand-Ehrenpreis (Veronica maritima), der auf feuchte Lebensräume spezialisiert ist, bildet der Ähren-Ehrenpreis meist nur einen Blütenstand aus, dessen Blüten sehr kurz gestielt sind. Während der Blütezeit ragen die Staubblätter weit aus der etwa 3 mm langen Kronröhre heraus und locken neben verschiedenen Wildbienen auch Wespen, Falter und Schwebfliegen an. Als Früchte werden ab September etwa 4 mm lange Kapseln ausgebildet, welche zahlreiche winzige Samen enthalten. Diese werden durch Wind oder durch die Berührung vorbeistreifender Tiere ausgebreitet. Wie es typisch ist für Pflanzen trockener Standorte, sind die Samen sehr langlebig und können noch nach Jahren unter günstigen Bedingungen keimen. Daneben erfolgt auch eine vegetative Vermehrung durch kurze Ausläufer.

In der Steppe

Das geschlossene Verbreitungsgebiet des Ähren-Ehrenpreises liegt im subkontinentalen und kontinentalen Europa und in Sibirien. Es reicht vom mittleren Frankreich bis in die Steppen Kasachstans und in das Westsibirische Tiefland. In Europa hat er seine nördliche Verbreitungsgrenze in Südschweden und reicht im Süden bis zur Küste des Schwarzen Meeres. In Deutschland hat die Art ihren Verbreitungsschwerpunkt vor allem in Ostdeutschland. In Süddeutschland kommt sie nur zerstreut vor und in großen Teilen Westdeutschlands fehlt sie weitestgehend.

Schafe schaffen seinen Lebensraum

Veronica spicata ist eine Bewohnerin nährstoffarmer, trockener und sonniger Standorte. Dazu gehören Trockenrasen, Säume trockener Gebüsche, Dünen und Böschungen mit sandigen oder sandig-lehmigen Böden. Historisch trat sie als typische Art extensiv genutzter Schafweiden auf. So war sie noch bis in die neunziger Jahre besonders in Ostdeutschland recht häufig. Untersuchungen im östlichen Harzvorland Sachsen-Anhalts haben gezeigt, dass die dortigen Bestände stark zurückgegangen sind, seit die ursprüngliche, schon seit dem Mittelalter bestehende Schafbeweidung aufgegeben wurde. Die ehemaligen Weiden werden zunehmend von Büschen und starkwüchsigen Gräsern dominiert.

Die veränderte Landnutzung hat dazu geführt, dass der Ähren-Ehrenpreis in ganz Deutschland stark zurückgegangen ist und als gefährdet gilt. Gemäß Bundesnaturschutzgesetz ist er besonders geschützt. In Berlin gilt er als vom Aussterben bedroht und kommt nur noch auf wenigen Flächen vor, unter anderem in Köpenick und im Naturschutzgebiet Hahneberg. Hier hat er wieder eine Chance, weil mit Mitteln des Naturschutzes eine traditionelle Schafbeweidung durchgeführt wird. Neben dem Zurückdrängen dominanter Pflanzen durch Verbiss schaffen Schafe mit ihren Hufen offene Stellen im Boden, welche wichtige Nischen für die Keimung von Jungpflanzen darstellen.

Eine andere Gefährdung der Art kommt von einer unerwarteten Seite. Der Ähren-Ehrenpreis wird wegen seiner attraktiven Blütenstände auch in vielen Gärtnereien angeboten, allerdings häufig als Zuchtvariante in verschiedenen Farben und mit einer großen Anzahl an Blütenständen. Diesen Kulturformen fehlen meist Anpassungen an trockene, nährstoffarme Standorte. Wegen einer langjährigen gärtnerischen Selektion von Pflanzen, deren Samen sofort keimen, bilden Zuchtformen häufig keine langlebige Samenbank im Boden aus. Diese bietet in natürlichen Populationen eine Rückversicherung, wenn in einem ungünstigen Jahr sehr viele Jungpflanzen sterben. Wenn sich Kulturformen mit Wildpopulationen kreuzen, können solche wichtigen Anpassungen an regionale und klimatische Bedingungen verloren gehen.

Achten Sie im nächsten Frühjahr beim Kauf von Pflanzen oder Saatgut nicht nur dieser wunderschönen Art also darauf, dass Sie nur jene oder jenes mit gebietsheimischer Herkunft wählen.

Und sollten Sie auf Ihren Spaziergängen in der Natur diesen Trockenheitsspezialisten finden, freuen wir uns sehr über eine Fundmeldung per E-Mail mit Fotobeleg. Vielen Dank!

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