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Natürlich für Berlin

Was sind Naturerfahrungsräume?

Naturerfahrungsräume sind naturnahe Freiflächen, auf denen Kinder selbstbestimmt spielen und sich ausprobieren können. Unbeaufsichtigt durchs Gebüsch toben, im Matsch spielen, Staudämme bauen, auf Baumstämmen balancieren, Käfer um die Wette laufen lassen – Kinder brauchen Naturerfahrungen, und zwar eigenständige. Sie brauchen sie für ihre Persönlichkeits- und Sozialentwicklung ebenso wie für die Herausbildung eines eigenen Umweltbewusstseins. Doch wie sollen Kinder eine Beziehung zu ihrer Umwelt aufbauen, wenn naturnahe Freiflächen und wilde Brachen fast vollständig aus unseren Städten verschwunden sind? Hier setzt das Konzept der Naturerfahrungsräume (NER) an. Es bietet die große Chance, urbanes Leben und Stadtnaturschutz zu verbinden.

Warum diese Spiel- und Entdeckungsmöglichkeit für Kinder in der Stadt so wichtig ist, zeigt unser Film. Denn Kinder lieben spielen und Kinder lieben Natur.

Das Konzept

Das Konzept der städtischen Naturerfahrungsräume als neue Grünflächenkategorie entstand bereits in den 1990er Jahren (Schemel u. a. 1998). Vorbilder dafür fand man in der Stadt Oppenheim mit dem naturnahen Spielraum „Paradies” oder mit der „Naturwildnis” in Lübeck. 

Im Rahmen des von der Stiftung Naturschutz durchgeführten Pilotprojektes zu Naturerfahrungsräumen wurde das Konzept auf seinen gezielten Einsatz in Großstädten überprüft. Die wesentlichen Fragen dabei waren: Wie groß muss ein funktionstüchtiger NER mindestens sein? Bedarf es einer Betreuung, was und wie muss betreut werden und wieviel Aufwand ist dafür erforderlich? Die Ergebnisse wurden im Rahmen der wissenschaftlichen Begleitung zum Vorhaben durch die Hochschule für nachhaltige Entwicklung Eberswalde (HNEE) in einem Leitfaden zusammengetragen.

Naturerfahrungsräume sind idealerweise mindestens einen Hektar große „wilde“ Flächen, auf denen Kinder unbeaufsichtigt frei spielen und mit der Natur in Kontakt treten können. Sie sollen strukturreich und für das Kinderspiel interessant ausgestattet sein, z. B. mit Erdhügeln, Matschlöchern, losen Materialien zum Hütten bauen, Versteckmöglichkeiten, offenen Flächen und Obstgehölzen. Bei der Planung, Einrichtung und dem Betrieb sollen Kinder, wenn möglich, beteiligt werden.

Naturerfahrungsräume sollen in der nahen Wohnumgebung und für Kinder schnell und barrierefrei erreichbar sein. Zielgruppe sind vorrangig Kinder im Alter von 6 bis 12 Jahren, jüngere Kinder können in Begleitung Erwachsener kommen.

In Berlin hat jeder Naturerfahrungsraum eine*n Kümmerin*Kümmerer. Er*sie ist keine pädagogische Betreuung der Kinder, sondern eine Art „Hausmeister*in“ der Fläche. Jedoch werden auch Schnupperangebote durchgeführt, um Kinder mit der Fläche bekannt zu machen. Er*sie koordiniert Nutzer*innengruppen und wirbt in der Umgebung für die Fläche. Er*sie beteiligt die Kinder bei der Pflege und Unterhaltung der Fläche. Gegebenenfalls unterstützt er*sie die Flächenverwaltung bei der Pflege, Kontrolle und Wartung.

Da sich Naturerfahrungsräume noch nicht als öffentliche Freiräume in unseren Städten etabliert haben, wurde im Februar 2018 auf einer Fachtagung in Berlin die „Resolution für die Schaffung von Naturerfahrungsräumen in der Stadt“ verabschiedet. Oberstes Ziel ist es, dass diese Freiflächen fester Bestandteil des öffentlichen Raums werden.

Eine Forderung aus der Resolution wurde bereits umgesetzt. Mit der Änderung des Baugesetzbuches vom 14. Juni 2021 sind Naturerfahrungsräume als Grünflächenkategorie in Bebauungsplänen aufgenommen worden (§ 9 Abs. 1 Nr. 15 BauGB). In den sich aktuell immer weiter verdichtenden Städten wie Berlin und mit steigenden Nutzungskonkurrenzen ist dies eine wichtige Möglichkeit, um elementare öffentliche Freiflächen für Naturerfahrung verbindlich sichern zu können.

Im Jahr 2000 gründete sich der bundesweite Arbeitskreis Städtische Naturerfahrungsräume mit dem Ziel, mehr Wissen über das Thema zu erlangen und die breite Öffentlichkeit, örtliche Politiker*innen und Planer*innen zu informieren.

Im Oktober 2019 hat der Fachbereich-Naturerfahrungsräume die Nachfolge des Arbeitskreises angetreten. Der Fachbereich ist beim Bund der Jugendfarmen und Aktivspielplätze (BdJA) angesiedelt und setzt sich als bundesweite Interessensvertretung für die Etablierung von Naturerfahrungsräumen ein. Ziel ist die Vernetzung relevanter Akteure, der Fachaustausch, die Schaffung eines allgemein zugänglichen Wissenspools sowie die Lobby- und Öffentlichkeitsarbeit für das Thema NER. Die Erkenntnisse aus dem von der Stiftung Naturschutz Berlin durchgeführten Pilotprojektes zu Naturerfahrungsräumen können so nach dem Projektende weitergetragen und das neu geweckte Interesse am Thema aufrechterhalten werden.