Logo Stiftung Naturschutz Berlin  
Abheben für den
Naturschutz!

Victor-Wendland-Ehrenring

Von 1988 bis 2006 hat die Stiftung Naturschutz Berlin jährlich den Victor-Wendland-Ehrenring als Berliner Naturschutzpreis verliehen. Der Preis war nach Dr. Victor Wendland benannt, einem Pionier des Berlin-Brandenburgischen Naturschutzes. Geehrt wurden Personen, die sich um den Naturschutz in Berlin und damit um diese Stadt verdient gemacht haben. Bevorzugt wurden Leistungen geehrt, die zu einer Verbindung zwischen Wissenschaft und Praxis in Naturschutz und Landschaftspflege beitrugen. Die Auszeichnung bestand aus einem Weißgoldring sowie der Preissumme von 2.500 Euro. Über die Preisvergabe entschied der Stiftungsrat. Ab 2007 wird der Preis in modifizierter Form unter der Bezeichnung Berliner Naturschutzpreis verliehen.

Preisträger von 1988 – 2006

  • 2006: Reinhard Dalchow
  • 2005: Wilhelm Recker †
  • 2004: Manfred Krauß
  • 2003: Jürgen Bachhuber † zum Nachruf
  • 2002: Gudrun Rademacher † zum Nachruf
  • 2001: Prof. Horst Korge †
  • 2000: Prof. Dr. Dr. h.c. Herbert Sukopp
  • 1999: Norbert Rheinlaender
  • 1998: Prof. Dr. Martin Jänicke
  • 1997: Marianne Weno † zum Nachruf
  • 1996: Ben Wagin † zum Nachruf
  • 1995: Dr. Hans-Jürgen Stork
  • 1994: Dr. Stefan Brehme
  • 1993: Dr. Klaus Witt
  • 1992: Ursula Müller
  • 1991: Heinz Nabrowsky
  • 1990: Heinrich Weiß † zum Nachruf
  • 1989: Hilmar Klein
  • 1988: Werner Wunderling †

Dr. Victor Wendland (1896 - 1990)

Der Namensgeber des Naturschutzpreises war jahrzehntelang der führende Kopf im Berliner Verbandsnaturschutz. Der Universitätsdozent für slawische Sprachen wurde durch seine Arbeiten über die Tierwelt der Mark Brandenburg und als Schriftleiter der Berliner Naturschutzblätter überregional bekannt. Seine Eulen- und Greifvogelstudien fanden Eingang in wissenschaftliche Standardwerke und Ökologielehrbücher. Als Referent und Leiter von Exkursionen war Wendland bis ins hohe Alter für Naturschutz und Umweltaufklärung aktiv. Er gehörte zu den frühzeitigen Mahnern, die angesichts der Naturzerstörungen und des Artensterbens eine wirksame Naturschutzpolitik forderten.

Beschluss des Stiftungsrates der Stiftung Naturschutz Berlin

Der Stiftungsrat der Stiftung Naturschutz Berlin hat sich am 30.01.2019 mit der Frage beschäftigt, an wen der Berliner Naturschutzpreis 2019 verliehen werden soll. Hierzu lag u. a. ein Antrag vor, diesen Preis posthum an die in den 20er-Jahren und zu Beginn der Zeit des Nationalsozialismus in Berlin aktiven Naturschützer Prof. Dr. Max Hilzheimer und Dr. Benno Wolf zu verleihen, die Opfer des antisemitischen und unmenschlichen Terrors der Nationalsozialisten wurden und in der Nachkriegszeit keine ihren Verdiensten angemessene Ehrung oder auch nur Erwähnung erhalten haben. In diesem Zusammenhang wird von der Antragstellerin in einem Leserbrief der Naturschutz-Zeitschrift „Der Rabe Ralf“ (Ausgabe Dezember 2018/Januar 2019) auch der Vorwurf erhoben, dass der frühere Namensgeber des Berliner Naturschutzpreises, Dr. Victor Wendland, ein „hoher NS-Beamter“ gewesen sei und „nach dem Krieg die Rehabilitierung der bedeutenden jüdischen Naturschützer Max Hilzheimer und Benno Wolf verhindert“ habe.

Der Stiftungsrat der Stiftung Naturschutz Berlin hat sich am 30.01.2019 mit den dadurch aufgeworfenen schwierigen Fragen umfassend auseinandergesetzt. Er teilt die Kritik, dass alle für den Naturschutz in Berlin in der Nachkriegszeit Verantwortlichen der damals vorherrschenden gesellschaftlichen Tendenz des Verschweigens von NS-Verbrechen im Hinblick auf die betroffenen Naturschützer nicht ausreichend entgegengetreten sind.

Der Stiftungsrat hält den Berliner Naturschutzpreis in seiner heutigen Form jedoch für diese Aufgabe wenig geeignet und verfügt darüber hinaus auch nicht über ausreichende Informationen, um beurteilen zu können, ob Max Hilzheimer und Benno Wolf die einzigen Opfer des Nationalsozialismus unter den in Berlin damals aktiven Naturschützern waren. Die Stiftung Naturschutz Berlin wird insoweit zusammen mit allen anderen heute im Naturschutz Aktiven beraten, welche Formen des Erinnerns und Gedenkens hier nach nunmehr über 70 Jahren angemessen sind.

Der Stiftungsrat hat vor diesem Hintergrund einstimmig folgende Positionsbestimmung zu diesem Thema beschlossen:

Naturschutz und Nationalsozialismus. Eine Positionsbestimmung.
Die Stiftung Naturschutz Berlin begrüßt alle Bemühungen um eine Aufarbeitung der Geschichte des Naturschutzes zur Zeit des Nationalsozialismus. Dies betrifft insbesondere Forschungen zur Haltung amtlicher und ehrenamtlicher Aktiver zum nationalsozialistischen Regime und zu ihrer etwaigen Beteiligung an dessen Verbrechen. Und es betrifft Forschungen zur Ausgrenzung, Deportation und Ermordung insbesondere jüdischer Naturschützerinnen und Naturschützer sowie den (posthumen) Umgang mit deren Lebenswerk und Schicksal.

Der Namensgeber des von 1988 bis 2006 vergebenen Naturschutzpreises, Dr. Victor Wendland, war zur Zeit der Einrichtung des Preises vor allem als „führender Kopf im Berliner Verbandsnaturschutz“ bekannt. Wie sich 2003 herausstellte, war er während des Nationalsozialismus Mitarbeiter in staatlichen Behörden.

Um Wendlands Funktion im und seine Haltung zum nationalsozialistischen Regime zu klären, stellte die Stiftung Naturschutz Berlin 2003/04 umfassende Recherchen an. Diese ergaben, dass Dr. Victor Wendland von 1933 bis 1945 in den Chiffrierstellen des Reichskriegsministeriums und des Oberkommandos der Wehrmacht arbeitete. Welche Tätigkeiten er dort genau ausübte, ist bislang unbekannt. Eine Mitgliedschaft Wendlands in der NSDAP ist nicht belegt. Hinweise auf eine direkte Beteiligung Wendlands an Kriegsverbrechen der Nationalsozialisten liegen nicht vor.

Der Stiftung ist sehr daran gelegen, auf der Basis von Tatsachen und gesicherten Quellen zu agieren. Daher bitten wir alle, die uns nähere und möglichst belegbare Hinweise zur Person Wendlands geben können, uns diese zukommen zu lassen. Die Stiftung wird ihre Recherchen fortsetzen.

Verschweigen der NS-Verbrechen – und bedeutender Leistungen jüdischer Naturschützer
Dr. Victor Wendland ist vorzuwerfen, dass er sich im Rahmen seiner Verbandsarbeit nicht bemüht hat, dem Schicksal engagierter Berliner Naturschützerinnen und Naturschützer nachzugehen und an ihre Leistungen zu erinnern, obwohl klar sein musste, dass sie – wie alle vom NS-Regime als „jüdisch“ eingestuften Menschen – Opfer schwerer Verbrechen geworden sein mussten. Wie unzählige andere Repräsentantinnen und Repräsentanten gesellschaftlicher Aktivitäten und Institutionen im Deutschland der Nachkriegszeit auch, versäumte er, auf das Vermächtnis von Menschen hinzuweisen, an deren Arbeit und Erfolge das eigene Wirken unmittelbar anknüpfte. So wäre an den Zoologen Prof. Dr. Max Hilzheimer (1877–1946) zu erinnern gewesen, den ersten Leiter der „Berliner Stelle für Naturdenkmalpflege“. Ihm verdankt die Naturschutzbewegung neben wichtigen wissenschaftlichen Einsichten zahlreiche grundlegende Schutzgebietsverordnungen und auch institutionelle Innovationen. 1936 wurde Hilzheimer die deutsche Staatsbürgerschaft aberkannt, er wurde aus allen seinen Ämtern und Ehrenämtern entlassen und Opfer zielgerichteter Schikanen. Ein weiterer engagierter Vertreter des Naturschutzes war der bedeutende Höhlenforscher Dr. Benno Wolf (1871–1943), der wesentliche Vorarbeiten für die Entstehung des Reichsnaturschutzgesetzes geleistet hatte. Er wurde 1942 in das Konzentrationslager Theresienstadt deportiert, wo er 1943 unter den dortigen unmenschlichen Bedingungen starb.

Dass in der Nachkriegszeit nur in wenigen öffentlichen Einrichtungen und zivilgesellschaftlichen Organisationen eine Aufarbeitung der  NS-Vergangenheit stattfand, kann und darf keine Entschuldigung sein, dass dieses Versäumnis auch den Bereich des Naturschutzes in Berlin über viele Jahrzehnte gekennzeichnet hat.

Die Verantwortung annehmen
Die Aufarbeitung dieses wichtigen Teils der Berliner Naturschutzgeschichte begann anlässlich des 80-jährigen Jubiläums der Einsetzung Prof. Dr. Max Hilzheimers als erster Berliner Naturschutzbeauftragter im Jahr 1927. Im Jahr 2005  hatte der Landesbeauftragte für Naturschutz und Landschaftspflege eine Aufarbeitung der Geschichte aller Berliner Naturschutzbeauftragten seit 1927 durch den Historiker Nils Franke veranlasst. In dieser ausführlichen Analyse werden auch die Leistungen von Prof. Dr. Hilzheimer für den Berliner Naturschutz differenziert gewürdigt. Die Leistungen von Dr. Benno Wolf sind ebenfalls Gegenstand der Aufbereitung. Diese Analyse war zudem Grundlage einer Wanderausstellung, die zuerst 2007 auf einer großen Naturschutztagung in Berlin gezeigt wurde und beim Landesbeauftragten für Naturschutz und Landschaftspflege bis heute ausgeliehen werden kann. Die Texttafeln der Ausstellung sind darüber hinaus im Internet zugänglich. Die Veröffentlichung der gesamten historischen Analyse steht jedoch noch aus.

Bei uns liegt heute die Verantwortung darauf hinzuweisen, dass auch andere, heute weitgehend vergessene Personen große Leistungen für den Berliner Naturschutz erbracht haben – und wohl noch mehr erreicht hätten, wenn sie nicht aus ihren Ämtern vertrieben oder sogar ermordet worden wären. In diesem Sinne gedenkt die Stiftung Naturschutz auch Prof. Dr. Max Hilzheimers und Dr. Benno Wolfs. Sie ist sich weiterhin bei allen ihren Aktivitäten und auch bei der Verleihung des Berliner Naturschutzpreises bewusst, dass fachliches Engagement erst dann uneingeschränkt einen Wert hat, wenn es sich gleichzeitig als Übernahme von Verantwortung für die allgemeinen Grundsätze der Menschlichkeit begreift.“

Berlin, 30.01.2019

Stefan Tidow
Vorsitzender des Stiftungsrates