Logo Stiftung Naturschutz Berlin  

Die Stadtnatur, unsere wilde Nachbarin

Die Sonne scheint, die Luft riecht schon nach Sommer. Jetzt zieht es viele Stadtbewohner*innen „raus ins Grüne“. Aber warum nicht mal „rein ins Grüne“? Denn Natur gibt es nicht nur auf dem Land, es gibt sie auch in der Stadt. Stadtnatur eben. Als wissenschaftliche Mitarbeiterin im Projekt Stadtnatur-Ranger beschäftige ich mich täglich mit ihr. Und oft werde ich gefragt, was das denn eigentlich sei, die Stadtnatur. Das ist gar nicht so leicht zu beantworten.

Was ist das denn, Stadtnatur? 


Ich war beim Langen Tag der StadtNatur, bin dem Lauf der Weddinger Panke gefolgt, hörte mitten in Mitte den Habicht rufen und staunte in Kreuzberger Nächten über Fledermäuse. Ganz klar: Wald, Fluss und innerstädtischer Park, all das ist Berliner Stadtnatur. Aber was ist mit dem Farn, der sich dort aus der Mauerritze zwängt? Oder mit den Geranien auf Nachbars Balkon?  

Vielleicht hilft ein Blick in die Fach-Literatur. Im Bericht „Ökosystemleistungen in der Stadt – Gesundheit schützen und Lebensqualität erhöhen“, der 2016 erschienen ist, „wird unter Stadtnatur die Gesamtheit der in urbanen Gebieten vorkommenden Naturelemente einschließlich ihrer funktionalen Beziehungen (Ökosysteme) verstanden¹“. Dieses umfassende Verständnis von Stadtnatur reicht von Pflasterritzen-Vegetation und Mauerblümchen über Gärten und Parks, Stadtbrachen, Äcker und Wiesen bis zu den städtisch beeinflussten Wäldern und Mooren am Stadtrand. 

So schön grün

Was kompliziert klingt, ist in der Realität – hier in Berlin – ganz schön beeindruckend. Denn gerade was die Grünflächen angeht – von den großen Wald- und Gewässerlandschaften über die Parks bis zur Brachfläche – hat unsere Stadt einiges zu bieten, auch im internationalen Vergleich. Bereits beim Landeanflug staunen Berlin-Besucher*innen über das endlose Grün, das sich unter ihnen erstreckt.² 

Und tatsächlich: 44 Prozent der Fläche unserer Stadt bestehen aus Wäldern, Flüssen, Seen, Pfuhlen, Mooren, landwirtschaftlichen Flächen, Park-, Friedhofs- und Kleingartenanlagen und Brachland. Dazu kommen unzählige kleinere Biotope wie private Gärten, Straßengrün, Kirchtürme und alte Mauern. In diesen Berliner Biotopen leben gut 2.000 Pflanzen- und 18.000 Tierarten, darunter 180 Vogel- und 13 Amphibienarten. Doch leider ist die Vielfalt bedroht: Schon 13 Prozent der ehemals hier lebenden Arten sind ausgestorben, weitere 30 Prozent gefährdet. 

Jetzt kommen die Die Stadtnatur-Ranger*innen ins Spiel, denn sie tun einiges für die bedrohte Berliner Natur. Doch was tut die Stadtnatur eigentlich für uns, die 3,5 Millionen Menschen, die in Berlin leben? Sie ahnen es: eine Menge.

Was kann Stadtnatur?

Stadtnatur bildet uns: Wir bestaunen Mauersegler in der Innenstadt, die dicke Eiche im Tegeler Forst und kleinste Biotope in einer Pflasterritze. Stadtnatur macht die Berliner Luft: Von den 400.000 Straßenbäumen in Berlin produziert jeder 10.000 Liter Sauerstoff am Tag und filtert pro Jahr bis zu 100 Kilogramm Staub aus der Luft. Vielleicht schenken Sie dem Baum vor Ihrer Haustür einmal ein aufmunterndes Lächeln? Stadtnatur ist gut für unsere Gesundheit: Schon kurze Naturbegegnungen wie die Mittagspause im Park fördern die Konzentrations- und Leistungsfähigkeit. Stadtnatur erzählt Geschichten: Sie erzählt von Vielfalt, von Zu- und Abwanderung, von Alteingesessenen und Neubürgern wie Rosskastanie und Tulpe. Stadtnatur fördert Begegnungen: Wir gärtnern gemeinsam in Stadtgärten, spielen Boule im Park und lernen bei Führungen, wie spannend die Natur sein kann. Das alles ist also Stadtnatur. Wann kommen Sie das nächste Mal rein ins Grüne?

Ulrike Willerding 

¹ Kowarik, I., Bartz, R. & M. Brenck (Hrsg.) 2016: Ökosystemleistungen in der Stadt – Gesundheit schützen und Lebensqualität erhöhen. – Projektbericht des Projekts „Naturkapital Deutschland – TEEB DE“. Berlin, Leipzig.
www.ufz.de/export/data/global/190508_TEEB_DE_Stadtbericht_Langfassung.pdf
² https://www.berlin.de/aktuell/ausgaben/2010/dezember/ereignisse/artikel.223723.php